Chinesischer Popstar aus Düsseldorf „Yangyang, unser Ehrenmann, wir supportieren dich!“

Düsseldorf · Liu Yangyang ist Mitglied der C-Pop-Band WayV – und der Liebling der deutschen Fans: Er lebte sechs Jahre in Düsseldorf und spricht Deutsch. Damit ist er der Mittler zwischen den Welten.

 Jessica (links) und Siham zeigen ihr Lieblingsfoto von Yangyang. Die beiden Düsseldorfer Studentinnen sind schon länger K-Pop-Fans.

Jessica (links) und Siham zeigen ihr Lieblingsfoto von Yangyang. Die beiden Düsseldorfer Studentinnen sind schon länger K-Pop-Fans.

Foto: Helene Pawlitzki

Wenn am Japantag Tausende aufwändig verkleidete junge Menschen durch Düsseldorf strömen, steht der Durchschnittsbürger staunend am Straßenrand und denkt: Wahnsinn, wie viel Liebe, Mühe und Energie Manga-Fans in ihre Kostüme stecken. Sie widmen sich mit Leidenschaft einer Kultur, die den meisten Deutschen vollkommen fremd ist und bleibt. Ähnlich ist es, wenn man sich erlaubt, für ein paar Minuten, Stunden oder Tage in die Fanszene der asiatischen Popmusik abzutauchen. Ob J-, K- oder C-Pop (aus Japan, Korea oder China) – deutsche Fans verehren ihre Idole von der anderen Seite des Planeten mit einem Fieber, das kaum zu begreifen ist. Zumal diese Idole das Gegenteil von greifbar sind.

„Klar, am Anfang habe ich auch gedacht: Wie kann man das nur gut finden?“, sagt Jessica. Die 22-Jährige sitzt mit ihrer Freundin Siham in der Bakery My Heart mitten im Japanviertel. Beide scrollen durch ihre Twitterfeeds. Auf der Suche nach Fotos von Yangyang. „Unserem Yangyang“, wie die Fans ihn gerne nennen.

 Popstar Yangyang auf einem aktuellen Promo-Foto.

Popstar Yangyang auf einem aktuellen Promo-Foto.

Foto: Label V

Jessica und Siham haben gemeinsam zu Asia-Pop gefunden. „Naja, Jessi hat eigentlich als erste damit angefangen“, sagt Siham. 2015 schauten die beiden die ersten Realityshows mit asiatischen Popstars im Netz. Und wurden magisch angezogen. „Wir haben einfach etwas Neues gebraucht“, sagt Jessica. „Wir hatten uns an die Musik hier gewöhnt.“ Während westliche Popstars sich als Künstler verstehen und ihr Privatleben vor den Fans verstecken, kennen asiatische Popstars diese Allüren nicht. Sie zeigen in endlosen Castingrunden, Realityshows und in sozialen Netzwerken, was sie haben, was sie tun und was sie bewegt. Ob das alles echt ist, ist eine andere Frage. In jedem Fall ist es eine verdammt gute Show – die praktisch niemals endet.

Die Sache hat nur einen Haken: Die meisten Fans asiatischer Popmusik können Chinesisch, Japanisch oder Koreanisch weder sprechen noch lesen. Und die meisten asiatischen Popstars sprechen kein Englisch. Fans behelfen sich mit Untertiteln, wo vorhanden, oder Übersetzungsprogrammen, um herauszufinden, worüber ihre Stars in den zahllosen Webvideos sprechen oder singen. Wie durch ein Wunder schaffen sie es, sich in der komplexen Welt der asiatischen Popmusik zurechtzufinden. Die im Übrigen vollkommen anders funktioniert als die Welt der westlichen Popmusik. Die Gruppen sind größer, die Mitglieder durchlaufen einen knallharten Castingprozess. Berühmt sind sie dann schon, bevor sie ausgewählt werden; gleichzeitig erfährt die Öffentlichkeit nur sehr ausgewählte Informationen über sie. Fans in Deutschland sammeln die Informationskrümelchen zusammen, teilen sie auf Twitter, Instagram oder Message Boards. Die Welt des Asia-Pops scheint weiter entfernt als das japanische Meer.

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Foto: dpa/Roland Weihrauch

Doch nun hat der Himmel Yangyang geschickt, um die Welten zu vereinen. Ein Chinese, der in Düsseldorf gelebt hat, Deutsch kann. Mitglied der Gruppe WayV, einer von sieben, die im Januar der Öffentlichkeit vorgestellt wurden.

 Ob dieses Foto der Band WayV rein zufällig an die Düsseldorfer Band Kraftwerk erinnert? Rapper Yangyang (4.v.l.) hat jedenfalls sechs Jahre in Düsseldorf gewohnt – für deutsche Fans eine Sensation.

Ob dieses Foto der Band WayV rein zufällig an die Düsseldorfer Band Kraftwerk erinnert? Rapper Yangyang (4.v.l.) hat jedenfalls sechs Jahre in Düsseldorf gewohnt – für deutsche Fans eine Sensation.

Foto: Label V

„Yangyang, unser Ehrenmann, wir supportieren dich!“, schreiben die Fans auf Twitter – und vermischen damit das Jugendwort des Jahres 2018 (Ehrenmann) mit Yangyangs Denglisch (“supportieren“ von engl. to support). Sie nennen ihn „Kaiser“ und „Bretzelbruder“, fantasieren darüber, dass Yangyang die Würzsauce Maggi liebt und gern Döner isst. Alles in verrückter, überbordender Freude darüber, dass es endlich einen C-Pop-Star gibt, der ihre Sprache spricht. „Als das ein halbes Jahr vor dem Debut rauskam, ist das deutsche Twitter ausgerastet“, erzählt Siham. „Es gab wirklich diesen Wow-Effekt.“

Anfrage bei Label V, dem Management von Way V. Ob es möglich sei, Yangyang zu interviewen. Es folgen Verhandlungen per E-Mail, die sich von Februar bis Mai ziehen. Dann ist es schließlich da: das kostbare Word-Dokument mit dem (wahrscheinlich) weltexklusiv ersten Interview von Popstar Yangyang mit einem deutschen Medium. (Ein Telefoninterview hatte das Management abgelehnt.)

Er habe seine Teenager-Jahre in Düsseldorf verbracht, schreibt Yangyang. Mit elf sei er mit Mutter und Schwester in die Stadt gezogen. Die Internationale Schule in Neuss habe er besucht. „Ehrlich gesagt, ich vermisse die Schulzeit sehr.“ Vor seinem Debüt habe er Düsseldorf bis zu zwei Mal im Jahr besucht. „Aber dieses Jahr habe ich es noch nicht geschafft.“ Er hoffe aber, dass daraus noch etwas werde. „Wenn ihr mich auf der Straße seht, sagt mir gerne Hallo!“

Schon als Kind habe er gern gerappt und getanzt, 2016 habe er dann den Casting- und Trainingsprozess für die Gruppe begonnen. Rappen sei seine Leidenschaft. Außerdem schaue er gern Football und Basketball – letzteres sei sein Lieblingssport.

Dass seine deutschen Fans seine Existenz mit zig Twitter-Accounts und einer Art Geheimsprache feiern, ist Yangyang bewusst – auch wenn er selten direkt darauf reagiert. „Ich sehe die lustigen Kommentare der Fans sehr häufig“, schreibt er. „Ich muss dann immer laut lachen, so dass meine Bandkollegen mich fragen, was los ist.“ Das Wort „supportieren“ habe er wohl erfunden, weil er an einer internationalen Schule studiert habe und oft Englisch und Deutsch vermische, erzählt er. „Das mit Maggi wusste ich aber nicht. Ich weiß die Liebe und Unterstützung meiner Fans wirklich zu schätzen.“

Würde es Yangyang und WayV mal nach Düsseldorf verschlagen, die Aufregung würde vermutlich Ed-Sheeran-hafte Ausmaße erreichen – jedenfalls unter den zahlreichen Asiaphilen, die Düsseldorf als Zentrum japanischer, koreanischer und chinesischer Kultur ohnehin schon schätzen. „Wir würden wahnsinnig gern mal in Deutschland auftreten“, schreibt Yangyang und schwärmt von einer Tournee, „um der Welt zu zeigen, dass wir WayV sind.“

Jessica und Siham wären zweifellos im Publikum, wenn es so weit käme. Ihre Liebe zum Asia-Pop hat sie auch zu anderen Bereichen der Kultur gebracht: Sie haben Sprachkurse gemacht – und gehen „fast jeden Tag“ Koreanisch essen.

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