Drei Kugeln mit Kathrin Tiedemann "Wir brauchen dringend mehr Platz"

Düsseldorf · Ein kurzer Blick auf die Karte genügt, und ihre Wahl steht fest. "Blaubeeren!", sagt Kathrin Tiedemann schwärmerisch, "ich liebe Blaubeeren! Mango nehme ich auf jeden Fall auch. Und dann noch Pistazie. Obwohl es nicht perfekt zu den Früchten passt."

 Kathrin Tiedemann beim Eisessen: Sie bestellte Blaubeere, Mango und Pistazie.

Kathrin Tiedemann beim Eisessen: Sie bestellte Blaubeere, Mango und Pistazie.

Foto: Andreas Bretz

Dass es drei Kugeln Eis sein sollen, kommt ihr sehr entgegen. "So einen riesigen Becher möchte ich gar nicht haben", sagt sie und schaut neidlos auf den Nebentisch, wo gigantisch dekorierte vielfarbige Kunstwerke gelöffelt werden. "Wenn ich hier vorbeiradle und Lust auf ein Eis bekomme, nehme ich immer nur eine einzige Kugel im Hörnchen."

Kathrin Tiedemann leitet seit zehn Jahren das Forum Freies Theater (FFT). Dazu gehören zwei Bühnen - eine in den Kammerspielen, wo sie ihr Büro hat, und eine im Juta, wo sie zu Proben und Besprechungen vorbeischaut. Ihr Lieblings-Eiscafé "Pia" liegt gegenüber an der Kasernenstraße. Und nah genug an ihrer Wohnung am Schwanenmarkt, um sich bei abendlichen Runden ein Eis zu gönnen.

Jetzt, um die Mittagszeit, bilden sich draußen lange Schlangen vor der Theke, die Fußgänger müssen sich regelrecht daran vorbeidrängen. "So ist das immer", sagt Kathrin Tiedemann. Die Bedienung naht, die drei Favoriten werden bestellt. "Blaubeere ist leider nicht mehr da", bedauert die freundliche Kellnerin. Gut, dann eben Joghurt. Auch Sahne dazu? Ach ja, sehr gern mit Sahne! Die Theaterchefin hat nicht gefrühstückt. Sie freut sich auf ihr Eis und genießt die kurze Auszeit inmitten der saisonüblichen Betriebsamkeit. Die neue Spielzeit in den Kammerspielen beginnt morgen mit der Premiere von "Subbotnik", bald wird mit "Spielarten NRW" ein Theaterfestival für Kinder und Jugendliche ausgerichtet.

Vor wenigen Tagen feierte das FFT seinen 15. Geburtstag. "Natürlich denkt man bei einem solchen Jubiläum darüber nach, wie sich das Theater künftig weiterentwickeln kann", sagt sie. "Die Richtung werden wir beibehalten, aber es soll neue Signale geben." Das FFT ist erfolgreich und in der freien Szene sehr begehrt. Die beiden Spielstätten platzen aus allen Nähten. "Immer mehr Künstler wollen bei uns arbeiten", sagt Kathrin Tiedemann. "Wir bräuchten dringend mehr Platz. Aber die Stadt macht uns kaum Hoffnung auf Erweiterung, das ist alles wie in Beton gegossen." Deshalb nutzt sie die Möglichkeiten, die sie hat. Ihr Handwerkszeug lernte sie als Dramaturgin in der Kampnagel-Fabrik in Hamburg. Damals kam gerade die Performance als neues Genre in Mode. "Das Publikum war nur schwer dafür zu gewinnen", erinnert sie sich. "Man hielt Performance Art nicht für echtes Theater. Das hat sich inzwischen geändert, Stellenwert und Neugier sind gewachsen."

Bei ihrer eigenen künstlerischen Handschrift ist es ihr wichtig, das Publikum einzubeziehen und Projekte sehr stark in der Stadt zu verankern. "Wir haben auch schon Zuschauer das Programm kuratieren lassen", erzählt sie und wendet den Kopf mit sehnsüchtigem Blick: "Oh, da schwebt ein leckeres Eis vorbei!" Ihres ist noch nicht da, also schnell ablenken. Welchen Geschmack hat sie als Kind geliebt? "Ich erinnere mich an die abgepackten Sorten Fürst Pückler und an die Vanille-Becher mit Rändern aus Erdbeersauce", antwortet sie. "Und an unser hausgemachtes Eis. Meine Mutter schüttete für uns drei Geschwister Fruchtsäfte in einen Plastikbehälter mit Stiel und fror sie ein."

Dann hat sie die üppige Portion endlich vor sich. Kathrin Tiedemann verputzt ihre Kugeln methodisch. Sie hält die drei Sorten bis zuletzt hübsch getrennt. Klare Strukturen bevorzugt sie auch an ihrem Theater. Und sagt im Gegensatz zu vielen Intendanten, die sich über zu viel Bürokratie beklagen: "Auch wenn das jetzt ein bisschen oberfleißig klingt - ich mag diese Kombination aus einer gewissen ökonomischen und einer künstlerischen Betrachtungsweise. Das hilft, weil es der Realität an einem freien Theater entspricht. Ich kann schließlich nur das Geld ausgeben, das ich habe."

(RP)
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