Düsseldorf Wenn Marion Ackermann geblieben wäre

Düsseldorf · Abschiedsgespräch mit Konjunktiv: Wenn die Direktorin der Kunstsammlung NRW nicht den Ruf nach Dresden angenommen hätte, dann hätte sie in Düsseldorf noch manche überraschende Neuerung eingeführt. Sie erzählt davon.

 Marion Ackermann vor Jürgen Klaukes wandfüllender Fotoarbeit "Antlitz". Auslöser dieser Reihe von Maskierten war das Attentat bei den Olympischen Spielen 1972 in München.

Marion Ackermann vor Jürgen Klaukes wandfüllender Fotoarbeit "Antlitz". Auslöser dieser Reihe von Maskierten war das Attentat bei den Olympischen Spielen 1972 in München.

Foto: Endermann

Mit etlichen Plänen in der Tasche wird Marion Ackermann, Direktorin der Kunstsammlung NRW, zu Beginn des nächsten Monats nach Dresden wechseln: als Generaldirektorin der dortigen Museen. In ihrem Kopf aber lagert noch ein zweiter Stapel: derjenige mit den Ideen, die sie in Düsseldorf umgesetzt hätte, wenn sie dem Ruf an die Elbe nicht gefolgt wäre. Für ihre noch nicht feststehende Nachfolgerin, ihren Nachfolger in Düsseldorf könnte sich dieser Stapel als nützlicher Schatz erweisen.

Auf die Frage "Was wäre, wenn ..." trug sie ihre Pläne vor. Deren Tenor lautet schlicht: "Wir können nicht so weitermachen wie bisher." Als sie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier auf einer Reise durch die Maghreb-Staaten begleitet habe, sei ihr klar geworden, dass Museen hierzulande noch erheblich stärker als bisher auf Globalisierung setzen müssten. In anderen Ländern, so auch in Brasilien, seien Kunst und Kultur viel mehr als bei uns in Prozesse gesellschaftlicher Veränderung eingespannt. Der breitere Blick auf die Kunst von heute müsse einhergehen mit Veränderungen in der Sammlungspolitik der Museen. Die verspätete Moderne, wie sie in den 1960er Jahren in Brasilien, Indien und der Türkei zutage trat, müsse Eingang auch in die Museen des Westens finden.

Wenn Ackermann in Düsseldorf geblieben wäre, hätte sie zudem die "digitale Strategie" ihres Hauses intensiviert. Dabei gehe es nicht nur darum, Bilder der eigenen Sammlung ins Netz zu stellen, sondern sich auch um die Frage der Reproduktionsrechte zu kümmern und verfolgten Künstlern des Auslands eine Plattform zu bieten. Ebenso hätte Ackermann noch enger mit Schulen zusammengearbeitet und darauf hingewirkt, dass ihr Museum Künstler zu Projekten anregt.

Auf unsere Frage, was sie der Stadt Düsseldorf im Umgang mit deren Kultur empfehle, sprach sie sich gegen einen Museumsverbund aus, wie er zurzeit im Gespräch ist. Anders als in Dresden, wo der Verbund der Museen gewachsen sei, lebe die Kultur in Düsseldorf aus ihrer gewachsenen Vielfalt. Die Selbstständigkeit der Institute müsse erhalten werden, "eine politische Regulierung wäre ein Fehler".

Marion Ackermann hatte gestern einen kleinen Kreis von Journalisten ins K 21 geladen, um Bilanz zu ziehen. Diese Bilanz kann sich wörtlich sehen lassen - in einer Ausstellung, die Erwerbungen und Schenkungen aus der siebenjährigen Amtszeit umfasst. Zugleich kann sie sich in finanzieller Hinsicht sehen lassen. Denn der Direktorin gelang es, überwiegend durch Schenkungen und Spenden Kunst im Wert von weit mehr als 100 Millionen Euro an Land zu ziehen.

Zu vielen Werken, die teilweise durch beharrliches Betteln in die Kunstsammlung NRW gelangten, weiß Marion Ackermann eine Anekdote zu erzählen. Zum Beispiel zu jener Mappe mit Arbeiten von Thomas Schütte, die der Düsseldorfer eines Tages an der Museumskasse hinterlegt hatte. Erst auf telefonische Nachfrage erwies sich, dass das ein Geschenk war.

Aus einem Baden-Badener Altersheim hatte sich eines Tages ein Herr nach Düsseldorf aufgemacht, um der Museumsdirektorin ein in eine Decke gehülltes Bild von Paul Klee zu überantworten - so wie seine Ehefrau es testamentarisch verfügt hatte. Da das Bild rosafarben war, betrachtete er es als Frauenkram.

Hübsch auch die Anekdote von den "Restmitteln" des Landes NRW in Höhe von einer halben Million Euro, die dem Museum kurz vor Jahresschluss zur Verfügung standen und von denen die Museumsdirektorin in Windeseile ein raumfüllendes Ensemble kaufte.

Im Übrigen ist Marion Ackermann stolz darauf, dass sie mit ihren Erwerbungen den Frauenanteil unter den in ihrem Museum vertretenen Künstlern zumindest ein wenig gehoben hat. Davon zeugen in der Ausstellung Werke von Rosemarie Trockel und die von der Provinzial Rheinland geschenkte, zurzeit im Depot lagernde Treppe der Polin Monika Sosnowska.

Jetzt richten sich aller Augen darauf, wer Ackermanns Nachfolge antritt - und wie sie oder er mit dem künstlerischen Erbe verfährt.

(B.M.)
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