Düsseldorf Wenn die Liebe tötet

Düsseldorf · Stephan Kaluza hat ein neues Stück geschrieben und inszeniert es gleich selbst. Mit Darstellern, die er aus dem Schauspielhaus kennt. Samstag hat "Blutmänner/ Studie einer menschlichen Figur im Raum" im FFT Premiere.

Düsseldorf: Wenn die Liebe tötet
Foto: Hans-Juergen Bauer

Es soll um die Liebe gehen. Um das, was sie anrichtet, wenn sie nicht uneigennützig ist, sondern ein Mittel der Macht. Doch erst hat Stefan Kaluza mal Kaffee gekocht. Tief schwarzen, den man nur mit Zucker verkraftet. Schauspieler Pierre Siegenthaler sitzt schon an einem langen schmalen Holztisch im Atelier des Künstlers, die Schauspieler-Kollegen Moritz Führmann und Bianca Künzel sind unterwegs. Gleich werden sie Stücke proben, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben: Die Geschichte eines US-Forscherteams, das in den 1970er Jahren auszog, medizinische Experimente an den Yanomami in Brasilien durchzuführen. Mit tödlichen Folgen für das indigene Volk. Und die Geschichte des Malers Francis Bacon und dessen Geliebten George Dyer, der Selbstmord beging.

"In beiden Geschichten geht es um Liebe, Macht und Machtmissbrauch", sagt Stephan Kaluza, "etwas fängt harmlos an und steigert sich ins Grauen." Solche Stoffe reizen ihn, den Maler, Fotografen, Autoren, der sich auf viele Weisen ausdrückt - und nun alles auf einer Bühne zusammenführt. Für das FFT inszeniert Kaluza selbst sein neues Doppelstück "Blutmänner/ Studie einer menschlichen Figur im Raum". Er hat auch das Bühnenbild gestaltet; geprobt wird in seinem Atelier an der Hansaallee.

Hinten in dieser Werkhalle schauen Kaluzas Hunde durch ein Gitter, vorne sind die Requisiten schon aufgebaut: Vier Hocker, ein Rokoko-Sofa, eine weiße Wand, auf der sich in der Inszenierung Filmszenen abspielen werden. "Ich verstehe mich nicht als klassischen Regisseur, wir arbeiten gleichberechtigt an dieser Inszenierung", so Kaluza und erzählt von Führmanns Idee, in einer Passage durch Musik Schnitte zu setzen. Auch am Text arbeitet Kaluza noch mit den Darstellern weiter. "Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen gespieltem und publizierten Stück", sagt Kaluza, "am Kern des Inhalts würde ich nie etwas ändern, aber beim Probieren bin ich offen für die Anregung der Schauspieler - sich selbst zu streichen ist immer einfacher als gestrichen zu werden."

Die anderen lachen. Die Mitglieder dieses kleinen Ensembles kennen einander schon lange. Bereits in der Uraufführung von Kaluzas erstem Theatertext, "Atlantic Zero", am Düsseldorfer Schauspielhaus traten Siegenthaler und Führmann gemeinsam auf. Nun spielen sie unter anderem ein Liebespaar, das einander bis zum äußersten treibt, bis in den Tod. "Wir mussten uns nicht mehr rantasten, wir wissen, dass wir einander schätzen und vertrauen können", sagt Führmann, "sonst hätten wir das gar nicht spielen können." Einmal mussten sie die Produktion verschieben, weil Führmann Drehverpflichtungen nachkommen musste. Nun steht die Inszenierung am Ende einer kräftezehrenden Spielzeit, Bianca Künzel hat gerade erst eine Premiere am Jungen Schauspielhaus hinter sich. Doch in Kaluzas Halle wirken alle an diesem Morgen frisch. "Ich finde es toll, mit einem so kleinen Kreis zu arbeiten, man kann viele Dinge ausprobieren, schnell entscheiden", sagt Kaluza. Weil er die Schauspieler gut kennt, hat er sie auch beim Schreiben schon im Kopf gehabt. "Nicht genau, aber ich wusste, für welchen Typus ich schreiben wollte." So ist Pierre Siegenthaler in der Rolle des Francis Bacon einmal mehr als Machtmensch und Alphatier zu erleben. "Ja, seltsam, auch in Fernsehrollen werde ich immer gern als eiskalter Manager oder CEO irgendeines Stahlkonzerns besetzt", sagt Siegenthaler, "da muss ich dann die weiche, devote, Mitschwimmerseite, die ich auch habe, ausblenden." Ihn reizen solche Rollen, auch wenn er für das Kaluza-Stück wie die Kollegen große Textmengen auswendig lernen musste. "Ich mache das gern beim Spazieren oder Radfahren am Rhein", sagt Siegenthaler, "aber diese Arbeit beginnt immer damit, dass ich den Text lese, ihn wirklich verstehe." Auch Bianca Künzel lernt oft unterwegs, auch weil sich die Projekte gerade so drängen. "Es können ruhig viele Menschen um mich sein", sagt sie und erzählt, dass sie in einer solchen Lernphase Pierre Siegenthaler in der Bahn begegnete - und ihn bat, sie nicht anzusprechen.

Sie lachen wieder. Ihre gemeinsame Arbeit entsteht in einer angefüllten Zeit, doch das scheint sie eher zu beflügeln. Jedenfalls ist nach einer Tasse Schwarz-Kaffee Schluss, die Schauspieler rücken die Stühle zur Seite. Die Probe kann beginnen.

(dok)
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