In Düsseldorf hat Oswald Egger eine Fangemeinde Fasziniert vom Abenteuer der Sprache

Düsseldorf · Warum der Düsseldorfer Buchhändler Rudolf Müller vom Werk des neuen Büchner-Preisträgers Oswald Egger schwärmt. Kaum ein anderer Dichter stellte seine Bücher so oft im Heine Haus vor wie Egger.

 Buchhändler Rudolf Müller mit einigen Manuskripten von Oswald Egger.

Buchhändler Rudolf Müller mit einigen Manuskripten von Oswald Egger.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Natürlich waren alle aus dem Häuschen, als vor gut einem Monat die Akademie für Sprache und Dichtung ihren neuen Büchner-Preisträger bekanntgab. Weil in diesem Jahr mit Oswald Egger nicht nur ein unerschrockener Spracherkunder geehrt werden soll, sondern auch ein Dichter aus dem Rheinland – genauer von der ehemaligen Raketenstation Hombroich bei Neuss, wo der 61-Jährige lebt und dichtet. Seine Fangemeinde aber ist in Düsseldorf, im Heine Haus an der altstädtischen Bolker Straße. „Gefühlt hat Oswald Egger alle seine Bücher bei uns im Heine Haus vorgestellt“, so Buchhändler Rudolf Müller. Egger sei jedenfalls so oft wie kaum ein anderer Schriftsteller dagewesen. „Und jede Lesung war ein Erlebnis.“

Die Beziehung von Egger und Müller ist eine treue und ziemlich alte. Erstmals ist Rudolf Müller dem Dichter auf der Frankfurter Buchmesse begegnet. 1993 war das. „Ich habe damals in sein Buch geschaut und erst einmal nix verstanden. Das hat mich sofort fasziniert.“ Genau dies beschreibt die unerschütterliche Bindung zwischen Dichter und Leser: zwischen dem dichtenden Experimentierer und dem neugierigen Erkunder.

Auch das hat etwas mit dem Verständnis von Lesen zu tun. So findet es Müller „überhaupt nicht schlimm, wenn man etwas nicht versteht. Wir verstehen ja ohnehin das meiste auf dieser Welt nicht. Wir verstehen ja nicht einmal, warum wir überhaupt sind.“ Und besonders bei der Lyrik habe er oft den Eindruck, als würden „wir den falschen Maßstab anlegen und die falsche Haltung einnehmen“.

Muss Lyrik also vor allem unverständlich sein? Keinesfalls. Schließlich könne er sich „auch für Morgenstern begeistern“.

Als großer Leser ist Rudolf Müller auch ein großer Sammler. Von Manuskripten etwa, von Sonderdrucken kleiner Hefte, die das sparsam Geschriebene noch sonderbarer, kostbarer machen. Darunter auch einiges von Egger natürlich. Zum Beispiel das Manuskript seiner Rede, die Oswald Egger 2006 bei der Eröffnung des Heine Hauses samt Literaturhandlung hielt. Auch diese Blätter sprechen für sich – mit Spuren der Überarbeitungen, wie Sätze sich wandeln, ihren Klang verändern, auf neue Wege führen. Die Blätter geben eine Ahnung davon, mit welcher Ernsthaftigkeit Oswald Egger seine Dichtung und seinen Umgang mit Silben und Worten betreibt. Zudem gestaltet der Dichter seine Bücher selbst; wählt Schrifttypen aus, entwirft Seiten, zeichnet.

Die vielen Begegnungen im Heine Haus haben die Achtung für das Werk bei Lesern und Hörern wachsen lassen. „Oswald Egger ist der sprachmächtigste und extremste deutschsprachige Dichter unserer Zeit“, sagt Rudolf Müller. Und das hinge nicht davon ab, wer ihn versteht und ob man ihn versteht.

Am 2. November wird die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung den mit 50.000 Euro dotierten Georg-Büchner-Preis an Oswald Egger verleihen. Eine größere Aufmerksamkeit wird damit seinem Werk auf jeden Fall geschenkt. Ob das reicht? Für Rudolf Müller ist vor allem dies wichtig: „Man muss sich auf das Abenteuer seiner Sprache einlassen. Mich fasziniert so etwas unendlich.“