Panikrocker Lindenberg in Düsseldorf Udo ist wieder in seinem Wunderland

Düsseldorf · Der 68-Jährige führte am Dienstag durch das Hotel Breidenbacher Hof in Düsseldorf, wo er 1962 als Liftboy arbeitete. Am Samstag und Sonntag wird der Sänger vor jeweils 45.000 Fans in der Esprit Arena auftreten.

Tanzeinlage: Udo Lindenberg rockt im Breidenbacher Hof
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Foto: Andreas Bretz

Man kennt das von Kindern, die aufgeregt sind oder sich sehr freuen: Sie reden ohne Punkt und Komma, und manchmal bricht es aus ihnen heraus, dann juchzen sie, weil alles so schön ist. Obwohl Udo Lindenberg bereits 68 Jahre alt ist, konnte man dasselbe Verhalten am Dienstag auch bei ihm beobachten.

Er wird am Samstag und Sonntag in der Esprit-Arena in Düsseldorf vor jeweils 45.000 Fans auftreten, und dieser enorme Zuspruch im Herbst seiner Karriere euphorisiert ihn offenbar derart, dass er beim Ortstermin im Breidenbacher Hof an der Kö fast zwei Stunden lang redet. Viel wunderbar melodiösen Unsinn, die "Schubidu"-Verse eines Königs des Ungefähren halt, aber auch große Sätze wie diesen: "Früher ging ich zur Baumschule, heute putze ich den Olymp." Zwischendurch ruft er: "Oh yeah!"

In den Breidenbacher Hof bat Lindenberg, weil er in diesem Hotel einst gearbeitet hat. 1962 kam er per Autostopp aus seiner Heimatstadt Gronau nach Düsseldorf - diese Geschichte ist so etwas wie der Gründungsmythos des Deutschrock. Er war 16 Jahre alt damals, leerte Aschenbecher und arbeitete als Liftboy. Und man fühlt sich wie im Museum der alten BRD, wenn man mit diesem Kerl, der sich die Uniform von einst angezogen hat, im Keller des Luxushotels auf blauem Linoleum steht und ihn eine Flasche Eierlikör aus einem Stahlspind nehmen sieht. "Da stiegen schöne Frauen in den Fahrstuhl, mit Perlenketten und so, aber ich bin immer keusch geblieben." Lindenberg lässt den Hut über die Kopfhaut hüpfen, sagt "erstmal bisschen Eierlikörchen trinken" und trinkt.

Das ist das Tolle an Lindenberg: dass er bescheuerte Sachen sagen und machen kann, ohne je peinlich zu sein. Er führt einen in die Kantine, wo er einst seine Pausen verbracht haben will, dabei wurde der originale Breidenbacher Hof ja abgerissen, das neue Gebäude ist ein Nachbau - ein Disneyland der Lindenberg-Folklore gewissermaßen, Udo-Themenpark, Udopia. Man hört sich alles gerne noch einmal an: die Story mit den 20 Mark Monatslohn, die Erzählungen über Ausflüge in die Jazzclubs der Altstadt mit Trommelstöcken in der Tasche der Jeansjacke.

Irgendwann stellt sich der Effekt ein, der vielleicht das Geheimnis hinter dem Phänomen Udo Lindenberg ist. Dass man nämlich versinkt in dieser Suada, dass man sich einlullen lässt von dem Singsang, der in seinen besten Momenten wirkt wie ein vertrautes Lied aus der alten Zeit, ein beruhigendes Brummen von früher: Man selbst beginnt zu denken im Trallafitti-Deutsch.

Udo-Sprech funktioniert wie Domino: Er sagt einen Satz, nimmt das letzte Wort und legt damit einen neuen Satz. Und aus dessen letztem Wort knüpft er wieder einen neuen Satz. "Das ist ein schöner Tag für alle Panikexperten und Lindianer. Lindiananer hatten Ups und Downs. Aber jetzt ist das ein Up, ein echtes Märchen, ein crazy Märchen, ein echtes crazy Märchen." Und wenn er mal ins Stocken kommt, sagt er: "Erstmal gurgeln für die goldene Stimme, ein Schlückchen für die goldene Kugel im Hals, Eierlikörchen für die Nachtigall." Die Kunstfigur, hinter der der echte Lindenberg verloren gegangen sein muss, wirkt wie ein Vertrauter, ein guter Geist.

Eine Frau sagt, Lindenberg habe eine Figur wie ein äthiopischer Langstreckenläufer. Er mag das, grinst und lässt der Frau eine Visitenkarte zustecken. Udo im Wunderland. Beim Rausgehen will jemand wissen, was Lindenbergs Philosophie sei. Lindenberg hält an. Er sagt: "Die Fantasten von heute sind die Erfinder von morgen."

(RP)
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