Eine Stadt musiziert digital Virtuelles Orchester zum Mitmachen

Düsseldorf · Tonhalle und Düsseldorfer Symphoniker laden alle Bürger zur gemeinsamen Aufführung des Liedes „En Düsseldorf am Rhing“ ein.

 Lisa Rogers, Hornistin der Düsseldorfer Symphoniker, bei der Aufnahme ihres Parts für den Video-Unterricht.

Lisa Rogers, Hornistin der Düsseldorfer Symphoniker, bei der Aufnahme ihres Parts für den Video-Unterricht.

Foto: Thomas Weißschnur

Wie sehr Musik beim Krisenmanagement hilft, zeigen nicht nur vielen Jahrhunderte der Musikgeschichte, sondern auch unzählige Beispiele der vergangenen Shutdown-Wochen: Verwackelte Handy-Videos aus Italien, wo Menschen gemeinsam auf ihren Balkonen sangen, wurden millionenfach geteilt. Die abendlichen Twitter-Konzerte des Pianisten Igor Levit erreichen eine stetig wachsende Fangemeinde. Opern- und Konzerthäuser stellen Streaming-Angebote bereit, damit das Publikum auch in Zeiten von Corona und Social Distancing am kulturellen Leben teilhaben kann.

Auch in der Tonhalle ist die Konzertbühne seit mehr als drei Wochen verwaist, und die Musik spielt nur noch im Netz: Konzertmitschnitte, Videos mit musikalischen Grüßen der Düsseldorfer Symphoniker aus dem Homeoffice, ein täglicher Podcast mit Chefdirigent Adam Fischer und Intendant Michael Becker sowie eine virtuelle Führung durch das Gebäude sind nur einige Beispiele eines umfangreichen Online-Angebots, welches das Tonhallen-Team in sagenhafter Geschwindigkeit realisiert hat, um die Konzertpause erträglicher zu gestalten.

Jetzt startet die Tonhalle ein weiteres großartiges Projekt, das – in zweifellos eingeschränktem, aber originellem Maße – wieder ein gemeinsames Musizieren ermöglicht und die Menschen der Stadt durch die Musik verbindet: Alle Düsseldorfer, die ein Instrument spielen oder gerne singen, sind aufgerufen, gemeinsam mit den Düsseldorfer Symphonikern ein großes, virtuelles Orchester zu gründen. „Gemeinsam allein sein klingt schöner“ – so heißt die Aktion, die sich die Konzertpädagoginnen Katharina Höhne und Ariane Stern ausgedacht haben und die nun mit finanzieller Unterstützung des Freundeskreises der Tonhalle umgesetzt wird.

Der Düsseldorfer Komponist Matthias Flake hat das bekannte Lied „En Düsseldorf am Rhing“ neu arrangiert – für ein großes Orchester und Chor: Die Partitur umfasst Instrumentalstimmen für Geige, Bratsche, Cello, alle Blech- und Holzbläser, Pauke und Percussion sowie alle Singstimmen von Sopran bis Bass und einen Kinderchor. In den vergangenen Tagen haben viele Mitglieder der Düsseldorfer Symphoniker ihre Stimmen zu Hause in den eigenen vier Wänden eingespielt und sich dabei mit dem Handy oder dem Tablet gefilmt; knapp 50 Videos sind auf diese Weise bereits entstanden.

Nun sind die Düsseldorfer aufgerufen, es ihnen gleichzutun – ob fünf oder 85 Jahre alt, ob mit heller Sopranstimme oder sonorem Bass, ob auf der Violine oder am Schlagzeug, Anfänger oder Fortgeschrittener. Die eingesandten Filme wird der auf Musikdokumentationen spezialisierte Filmemacher Raphael Hustedt gemeinsam mit dem Komponisten Matthias Flake sichten und zu einem großen Musikvideo zusammensetzen, das dann zeitnah auf der Homepage der Tonhalle und auf diversen Social-Media-Kanälen zu sehen sein wird.

Besonders reizvoll an dem Projekt ist, dass die Düsseldorfer Symphoniker alle, die beim virtuellen Orchester mitmachen wollen, tatkräftig unterstützen möchten. Die Profi-Musiker haben kleine Aufrufe und Online-Tutorials gedreht und bieten sogar Video-Unterricht an, um das Stück mit den Laien gemeinsam einzuüben: Von Ostermontag bis Freitag, 17. April, finden täglich um 17 Uhr Live-Übe-Sessions für die verschiedenen Instrumente statt. Man kann sich per E-Mail dazu anmelden und bekommt dann einen Zugangslink für eine Videokonferenz zugeschickt.

Grundschüler haben bei dem Projekt übrigens einen Übevorsprung: Das Lied „En Düsseldorf am Rhing“ ist Teil des diesjährigen „Singpausen“-Programms, insofern haben es alle bereits im Schulunterricht gesungen. Damit füllt „Gemeinsam allein sein klingt schöner“ auch ein wenig die Lücke, die die Absage der „Singpausen“-Konzerte in der Tonhalle hinterlässt. Und wer damit hadert, dass er über die Ostertage nicht nach Holland reisen kann, sondern zum Zuhausebleiben verdammt ist, wird vielleicht etwas Trost in der letzten Liedzeile finden: „En Düs-sel-dorf am Rhing han ich mi Hez ver-lo-re, nie möht ich wo-an-ders sin als en Düs-sel-dorf am Rhing!“

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