Dialog zwischen Ost und West Päckchen-Botschaften aus Weimar

Düsseldorf · Die Gruppe Futur3 hat Leute in Weimar gebeten, Pakete für Düsseldorf zu packen und inszeniert einen spannenden Ost-West-Dialog.

 Die künstlerischen Leiter von „Futur3“ André Erlen (l.) und Stefan Kraft.

Die künstlerischen Leiter von „Futur3“ André Erlen (l.) und Stefan Kraft.

Foto: Futur 3

Von Dorothee Krings

Eine Holzkiste ist beim Asphaltfestival angekommen, gefüllt mit Paketen „von drüben“, gepackt von Bürgern aus Weimar. Die Zuschauer sitzen im Kreis um die Kiste, warten, doch bei der Inszenierung „Post von drüben“ treten keine Schauspieler auf. Das Publikum muss selbst ran, Kiste öffnen, Päckchen auspacken, Pappaufsteller bauen, Texte vorlesen. Obwohl die Zuschauer also ganz unter sich bleiben, kommt es an diesem Abend zu einer intensiven Begegnung – mit Stimmen aus dem Osten, die einfach mal sagen, was sie bewegt.

Die Kölner Gruppe „Futur3“ hat den postalischen Botschaftsaustausch inszeniert. Sie hat Menschen in Weimar gebeten, Päckchen für Düsseldorf zu packen. Hineinlegen sollten sie, was sie „denen da drüben“ immer schon mal mitteilen wollten. Demnächst werden auch Düsseldorfer Bürger ihre Pakete packen und zum Kunstfest Weimar schicken. Zunächst geht es um Eigen- und Fremdbilder in dieser Performance. Die Düsseldorfer Zuschauer lesen vor, was Bürgern aus Weimar zu Düsseldorf einfällt: Von Bussi-Bussi-Leuten auf der Modemesse ist die Rede, natürlich von der Kö, von verbautem Beton und Glas, auch von der Geselligkeit der Rheinländer. Weimar beschreiben die Stimmen aus den Paketen als beschauliches Dichter-Denker-Städtchen, in der man der Historie nicht entkommt. Viele Klischees zum Auftakt, die zeigen, wie Stereotype die Wahrnehmung prägen, solange man einander kaum kennt. Intensiver wird es, als Alltagsgegenstände aus den Kisten auftauchen, Waschmittel aus der DDR-Zeit etwa, an dem man mal schnuppern kann. Und dann auch Botschaften, die deutlich machen, welche Kränkungen und Empfindlichkeiten das Verhältnis zwischen Ost und West bis heute belasten. Wenn eine Stimme etwa sagt, dass sie die Vereinigung als Übernahme empfunden hat. Oder eine andere loswerden will, dass es doch auch in der DDR Erfindungen gegeben habe, die gegen Devisen in den Westen verkauft worden seien. Oder eine mahnt, nicht auf Rentner aus dem Osten zu schimpfen, die hätten schließlich auch gearbeitet und versucht, das beste aus ihrem Leben zu machen. Verfremdet durch die Vorleser aus Düsseldorf wirkt das alles nie larmoyant. Die Texte stehen einfach im Raum und dürfen wirken. Es wird einmal nicht diskutiert, sondern zugehört. In aller Ruhe. So entstehen auch lustige Momente, etwa, wenn eine Stimme sagt: „Vertrauen Sie dem Osten! Lassen Sie ein paar Klischees fallen, dafür schenke ich Ihnen, dass auch ich Klischees fallen lasse.“

Man bekommt Lust, die anonymen Sprecher aus der Kiste kennenzulernen. Weimar kennenzulernen. Dem Osten zu begegnen. Mit schönster Einfachheit wecken „futur3“ also das, was zwischen Ost und West oft fehlt: unvoreingenommenes, menschliches Interesse.

Weitere Termine: www.asphalt-festival.de

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