Ausstellung in Düsseldorfer Galerie Tattoo-Kunst - von Vätern und Söhnen

Düsseldorf · Früher konnte man Matrosen, Häftlinge oder Biker an ihrer Tätowierung erkennen. Das Tattoo war das Brandzeichen, das Zugehörigkeitssymbol, wenn man im Club der harten Männer mitmischen wollte. Nachdem die Tätowierungen in den 1990er Jahren zur Mode wurden, veränderten sich auch die Körperkunstwerke.

"Tribal-Tattoos" waren bald nicht nur bei Pop-Stars beliebt. Auch ihre Fans ließen sich die ursprünglichen Ornamente und Stammeszeichen unter die Haut ritzen. Die brillanten Fotografien der irischen Künstlerin Mary A. Kelly sind aber mehr als nur eine soziokulturelle Bebilderung dieses Körperkunst-Phänomens. Kelly ist mit ihrer Kamera schon häufiger an die Ränder der Gesellschaft gereist. Sie hat in Gefängnissen und Krankenhäusern fotografiert und so einen sensiblen Blick für das Leben der Ausgegrenzten entwickelt. Während ihrer Arbeit in der Erwachsenenbildung traf sie auf einen älteren Schüler, der das tätowierte Porträt seines weit entfernt lebenden Sohns auf der Brust trug.

Nachdem Kelly dieses Erinnerungsbild fotografiert hatte, begegnete sie weiteren Männern, die in ähnlicher Weise die Namen oder Porträts ihrer lebenden oder früh verstorbenen Kinder auf der Haut trugen. Dass auch harte Kerle oftmals einen weichen Kern haben, wurde der Fotografin im Laufe der Arbeit an ihrer Fotoserie "Father & Child" schnell bewusst. Kelly fotografierte in Tattoostudios, war bei den schmerzhaften Sitzungen anwesend.

Auf ihren in der Galerie Voss ausgestellten Fotografien sieht man neben dem bekannten Motiv-Repertoire der Szene (Kreuze, Engel, Rosen, Madonnen) sehr persönliche Bilder. Kellys zum Teil anrührende Fotos motivieren zum Nachdenken über Vater-Sohn-Beziehungen. Sie schärfen aber auch den Blick für eine Kunstform, die längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Gute Tattoo-Studios sind heute klinisch rein und eingerichtet wie Zahnarztpraxen. Und wenn Prominente wie Madonna oder David Beckham ein neues Tattoo zur Schau stellen, diskutieren die Fans wochenlang über deren Bedeutung im Internet.

Interessanter als die Suche nach der Symbolik erscheint die Frage nach der Bedeutung des Tattoo-Kults. Die Sehnsucht nach Ursprünglichkeit mag eine Rolle spielen. Denn eine Tätowierung verspricht nicht nur, ihren Träger einzigartig zu machen. Sie soll ihre Kraft als "Stammeszeichen", Gelöbnis, Erinnerungsbild oder magisches Schutzzeichen entwickeln.

(RP/anch/top/das)
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