Konzert in der Tonhalle in Düsseldorf Symphonische Luft von einem anderen Planeten

Düsseldorf · Die ukrainische Dirigentin Oksana leitete das jüngste „Sternzeichen“-Konzert.

 Der spanische Oboist Ramón Ortega Quero.

Der spanische Oboist Ramón Ortega Quero.

Foto: Susanne Diesner

Auf dem Programmheft-Foto scheint Oksana Lyniv auf einen Gegner loszugehen: Der Dirigierstab piekst gebieterisch nach unten, in die Stirn gräbt sich eine Zornesfalte, und die feuerrote Schärpe um die Taille stünde auch einem Torero gut. Holla, denkt man, mit dieser Dirigentin ist vermutlich nicht zu spaßen?

Aber wenn Lyniv dann leibhaftig die Bühne betritt, staunt man nicht schlecht: Die zierliche Erscheinung mit der kerzengraden Haltung einer Ballerina wirkt eher sanft, und die rote Bauchbinde über frackschlichtem schwarzen Ensemble ist offenbar ihr Markenzeichen. Die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv gehört zu der wachsenden Zahl weiblicher Pultstars, die langsam aber sicher die männliche Dominanz am Pult der bedeutenden Orchester unterwandern. In der Tonhalle unterstreicht sie insbesondere in der zweiten Konzerthälfte eine außergewöhnliche analytische Souveränität, die man in der ersten Hälfte bereits ahnt.

Das Programm dieses „Sternzeichen“-Konzerts liest sich sperrig, obwohl es einen roten Faden behauptet („Musik in Zeiten des Krieges“, was aber nur für zwei der drei Werke gilt). Ausschließlich Kompositionen des 20. Jahrhunderts kommen zu Gehör, und Intendant Michael Becker ist in seinen einführenden Worten stolz darauf, dass die Tonhalle trotzdem beinahe ausverkauft ist.

Den Anfang macht ein Mitbringsel aus der Ukraine, die Tanzsuite aus der Oper „Der Goldene Reif“ von Boris Lyatoschynsky, ein hierzulande unbekannter Komponist, für den Lyniv sich besonders einsetzt. Das klanglich aparte Werk dekliniert allerdings recht konventionell folkloristische Klischees von Persien bis China durch, wartet mit einigen Knalleffekten auf und ist so schnell vergessen, wie der Applaus verhallt. Dirigentin Lyniv imponiert aber hier bereits mit vibrierender Spannkraft und messerscharfer Zeichengebung.

Dann folgt Ralph Vaughan Williams’ Oboenkonzert, für das der aus Granada stammende Ramón Ortega Quero verpflichtet wurde. Queros Ton leuchtet edel, sein Atem scheint endlos, und er zelebriert das pastoral mild gestimmte Werk in kaum durch Akzente unterbrochenem Legato. Das ist sehr schön musiziert, aber vielleicht etwas ereignislos, denn sein Spiel verweigert sich dem Gestischen, der plastischen Phrasierung.

Nach der Pause dann Bartóks Konzert für Orchester. Schon in den ersten Takten weht „Luft vom anderen Planeten“ bannend durch den Saal. Lyniv organisiert Bartóks höllisch komplexe, hoch expressive und rhythmisch vertrackte Partitur mit maximaler Kontrolle frappierend luzide, baut enorme Spannungsbögen, überrascht aber immer wieder mit weit ausholenden, den Klang entfesselnden Gesten.

Die Symphoniker sitzen auf der Stuhlkante, liefern insbesondere in den stark geforderten Bläser-Fraktionen Erstklassiges und sind spürbar eingenommen von Oksana Lyniv. Großer Jubel, keine Zugabe.

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