Düsseldorf So wollen Düsseldorfer Jugendliche wohnen

Düsseldorf · Beim FFT-Projekt "Close Up" denken Jugendliche über das Wohnen nach. Sie wollen Gitarren an der Wand und Poster an der Decke.

Düsseldorf: So wollen Düsseldorfer Jugendliche wohnen
Foto: RP/Radowski

Der eine möchte ein Heimkino mit Beamer, die andere ein Bett auf einer Bühne, und Karim möchte Manuel Neuer an der Decke. "Das wäre schon cool", sagt der Zehnjährige und schaut nach oben. Da nämlich klebt ein Poster des Fußballers, der beste Torhüter der Welt lächelt zufrieden, den Blick auf den Laminatboden gerichtet. Zu Hause gehe das nicht, sagt Karim, da hänge das Neuer-Poster bloß an der Wand. "An der Decke sind die Lampen im Weg." Stehlampen wären besser.

"Close Up" heißt die Sommerakademie des FFT, seit 2008 spürt das Theater in den ersten beiden Wochen der Sommerferien gemeinsam mit Künstlern und Jugendlichen Fragen unserer Zeit nach. 22 Jugendliche zwischen zehn und 18 Jahren haben sich dieser Tage in einem leerstehenden Hinterhofhaus an der Dorotheenstraße 85 in Flingern einquartiert. Hier stellen sie sich die Frage, wie sie wohnen wollen. Karim will beklebte Decken.

Mittel- und Ausgangspunkt von "Close Up" ist eine Dachgeschosswohnung, die zum Komplex einer Obdachlosenunterkunft gehört. Die Zimmer sind abgewohnt. Dellen und Kratzer zeugen von den Vormietern. "Close Up" lässt den Ort zum Imaginationsraum werden - die Jugendlichen sollen ihn mit Ideen füllen. Sie schwirren durch die Drei-Raum-Wohnung, als sei es ihre. In einer Kammer möchte Karim ein Hundespielzimmer einrichten. Louis hingegen würde an selber Stelle ein Musikzimmer vorziehen. Mit E-Bass und Schlagzeug.

Die Wunschvorstellungen der Jugendlichen sagen vor allem auch etwas über ihre gegenwärtige Lebenswirklichkeit aus. Bislang hat Karim kein Hundespielzimmer, aber einen Hund, erzählt er. Er heißt Rex.

Und Louis hat zwar ein Keyboard, aber zurzeit nicht viel Platz für mehr. Er wohnt mal bei seiner Mutter und mal bei seinem Vater, erzählt er, sie wohnen in Flingern nicht allzuweit auseinander. Wenn er bei seinem Vater sei, probiere er so manches Instrument aus, erzählt der 15-Jährige. Der Vater habe da eine Auswahl.

Tatsächlich eingerichtet wird die Wohnung während der Projektarbeit übrigens nicht. "Wir wollen ja nicht so tun, als würde hier wirklich gewohnt", sagt Ingo Thoben, der "Close Up" gemeinsam mit Christoph Grothaus und Anke Platon künstlerisch leitet. Allein die Poster, die mit Kleister an die Wände gebracht wurden, sind ein sichtbares Zeichen jugendlicher Wohnkultur. Gezeigt werden möglichst exakte Kopien von Plakaten, die die Jugendlichen daheim hängen haben. Im "Close Up"-Raum verbinden sie sich zu einen Pop-Koordinatensystem.

Die Boygroup One Direction, deren Mitglieder anscheinend sehr viel Haarspray benutzen, klebt neben der für viele stets zu leicht bekleideten R'n'B-Sängerin Rihanna und dem Plakat zur Comicverfilmung von "Thor". Im Nachbarzimmer hängen Bob Marley und ein Plattencover der deutschsprachigen Rap-Pop-Band Ok Kid, und wer damit sein Zimmer schmückt, rollt bei One Direction womöglich nur mit den Augen.

Das sei ihre Ecke, sagt die 15-jährige Lara aus Bilk. Musik scheint ihr Ding zu sein. Seit anderthalb Jahren spiele sie Gitarre, erzählt sie, zurzeit auf einem eigenen Einsteigermodell. Das sei schon in Ordnung, aber wenn sie nun die Wahl hätte und sich irgendeine Gitarre aussuchen dürfte, würde sie sich für ein Modell der amerikanischen Edel-Gitarrenwerkstatt "Martin Guitars" entscheiden. "Die fangen aber erst bei tausend Euro an", sagt Lara.

Die Einsteiger-Gitarre lehne in ihrem Zimmer an der Wand, die "Martin"-Gitarre würde sie sich übers Bett hängen, sagt Lara. In der leerstehenden Dachgeschosswohnung an der Dorotheenstraße würde ihr Bett auf der Probebühne stehen. Louis würde dort lieber Filme auf einer Leinwand zeigen, Karim möchte eine "Zockerecke" mit Videospielen einrichten.

Karims Hunde- und Louis' Musikzimmer würde Lara hingegen gern "zumauern". Zu viel Platz, sagt sie. Den brauche sie gar nicht.

(RP)
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