Düsseldorf Schulz macht ein Kraftwerk aus dem "D'haus"

Düsseldorf · Der Spielplan von Intendant Wilfried Schulz wird Düsseldorf durchdringen. Er ist radikal, gedankenschwer, bürgernah und fantasievoll.

 Der neue Prinzipal im Schauspielhaus, das künftig D'haus heißt: Wilfried Schulz stellte gestern seinen fulminanten Spielplan vor.

Der neue Prinzipal im Schauspielhaus, das künftig D'haus heißt: Wilfried Schulz stellte gestern seinen fulminanten Spielplan vor.

Foto: Andreas endermann

Die Abkürzung ist ungewohnt. "D'haus" heißt das Düsseldorfer Schauspielhaus ab dem Sommer, wenn Intendant Wilfried Schulz für fünf Jahre die Regie über das Theaterleben in der Landeshauptstadt übernimmt. Das Logo sei als Abkürzung zu sehen, die Düsseldorf, Deutschland und "gut drauf" enthalte. Bezugsgrößen, die ihm wichtig sind. Angespannt, aufgeregt und doch freudig erregt gab sich Schulz gestern bei der Vorstellung seines ersten Spielplanes. Schon seit Monaten ist er in D'dorf unterwegs, doch bisher war der aus Dresden wechselnde erfahrene Theatermacher mehr damit beschäftigt, angesichts der Großbaustelle Gustaf-Gründgens-Platz die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Theater gespielt werden kann.

Jetzt geht es um Inhalte. Der Fülle der Ideen geht in Schulz' Kopf eine Fülle von Strategien voraus. "Wir möchten kommunizieren", sagt er, "den Menschen entgegenkommen. Theater soll sich nicht rar machen." Und weiter: "Wir möchten großformatig, sinnlich, sichtbar und inhaltsreich an Gedanken sein." So wie die Farbe des neuen Logos rot ist, so wird das Theater sehr bunt sein - das verspricht er und noch mehr: "Wir setzen Zeichen und Symbole. Wir wollen lesbar sein."

Team Schulz kommt rüber wie ein neues Kraftwerk für diese Stadt, doch er hat die Ideenfabrik nicht alleine zu verantworten. Intendanz nennt er sein Team: Aus Dresden hat er Geschäftsführerin Claudia Schmitz mitgebracht, zum Chefdramaturgen Robert Koall berufen, der auch sein Stellvertreter ist. Das Junge Schauspielhaus leitet Stefan Fischer-Fels, der aus Berlin an seine alte Wirkungsstätte zurückkehrt, die Bürgerbühne übernimmt Christof Seeger-Zurmühlen als künstlerischer Leiter. "Alles ist zusammen gedacht", sagt Schulz, "und alles wird zusammen gemacht."

Programmheft Nie war es so wertvoll wie jetzt, man wird sich noch um die 111 Seiten starke Publikation im "Lettres"-Format reißen. Programmatisch gestaltet ist das Gesamtkunstwerk, das einen hohen ästhetischen Anspruch erhebt. Angereichert ist es neben allen Infos mit Essays, dazu gestellt sind starke Fotografien und in der Mitte ein schräges karikierendes Wimmelbild über das Leben im "D'haus".

Spielorte Aus der Not mit der Großbaustelle Gustaf-Gründgens-Platz hat Wilfried Schulz eine Tugend gemacht. Neben den beiden Bühnen im Central und dem Jungen Schauspiel an der Münsterstraße bietet er unerwartete Spielorte an. So hat er vom Hamburger Thalia-Theater ein Theaterzelt ausgeliehen, das am Cornelius-Platz aufgeschlagen wird und in dem die Spielzeit am 15. September mit dem Epos "Gilgamesh" eröffnet wird. Das Kinderstück "Der Zauberer von Oz" wird im Capitol zur Aufführung kommen, die Theatergruppe Rimini Protokoll soll in einem noch nicht benannten Kunstmuseum agieren, das Dreischeibenhaus - beschattet von den Kränen am Gustaf-Gründgens-Platz - wird auf allen Etagen zur Spielstätte für den in Düsseldorf verorteten "Fall Simon". Hausherr Patrick Schwarz-Schütte habe sich sehr kooperativ gegeben, sagt Schulz.

Selbst die Baustelle am Gustaf-Gründgens-Platz wird keine Ruhe haben vor der kreativen Unruhe des Prinzipals, der in der Stadt durchgesetzt hat, dass ab Mai 2017 dort täglich ab 17 Uhr die Bauarbeiter nach Hause gehen und Platz machen für E.T.A. Hoffmanns "Sandmann". Eine kleine "Faust"-Produktion wird schließlich als Roadshow tingeln - wer über mehr als 100, maximal über 200 Plätze verfügt, kann "Faust - to go" in sein Vereinsheim, ins Altenheim oder sonstige Einrichtungen beim Theater bestellen.

Ensemble Im Jungen Schauspielhaus wird es ein internationales Ensemble von acht festangestellten sowie freien Schauspielern geben. Publikumslieblinge wie Maelle Giovanetti und Bernhard Schmidt-Hackenberg bleiben im Team. Für das Große Haus hat Schulz 30 Schauspieler fest eingestellt; bekannte Gesichter hat er übernommen: Markus Danzeisen, Moritz Führmann, Andreas Grothgar, Claudia Hübbecker, Karin Pfammatter, Thiemo Schwarz und Hanna Werth.

Regisseure Es wird Farbe und Innovationskraft in die Inszenierungen kommen. Mut, Internationalität und Experimente halten Einzug. Danach hat man sich in Düsseldorf gesehnt. Namhafte Regisseure verschiedener Altersgruppen und Stile kommen ans D'haus, darunter Stefan Bachmann, Sönke Wortmann, der Ex-Intendant der Wiener Burg, Matthias Hartmann, und der Vielfachkünstler und Superstar Robert Wilson. Als Hausregisseure verpflichtet Schulz den jungen Shootingstar Bernadette Sonnenbichler und den international renommierten Züricher Roger Vontobel.

Stücke "Spielt er Houellebecqs ,Unterwerfung'?", fragen Kollegen. Ja, als Übernahme wie manch anderes Juwel in Zusammenarbeit mit anderen. Eine Uraufführung von Elfriede Jelinek wird in Düsseldorf herauskommen und eine Erstaufführung von Simon Stephens. Mit der ältesten Erzählung der Welt, "Gilgamesh" von vor 5000 Jahren hebt der Reigen an. "Denn mit Märchen fängt man an, die Welt zu begreifen", sagt Schulz. Nicht nur mit Jules Vernes' "In 80 Tagen um die Welt" verspricht er Aufbruch, sondern er avisiert viele abenteuerliche Reisen, die das Theater veranstaltet.

Hatte Vorgänger Günther Beelitz noch in seiner laufenden Spielzeit "brecht auf!" als Losung ausgegeben, so erlebt man jetzt unter Schulz Vollzug. Das Theater soll Navigationssystem für alle Bürger sein in den komplizierten Zeitläuften einer globalen Welt. Auch Klassiker wie "Romeo und Julia" kommen dabei vor, Utopien als Science Fiction wie "Planet Magnon" und ein vom Bund gefördertes Großprojekt, in dem deutschlandweit an vier Häusern über verdeckte Machtstrukturen räsoniert werden darf. Ach ja, und Kleist darf auch nicht fehlen. Ein Schwerpunkt ist's. "Ich liebe Kleist" bekennt Schulz, "seine sehr große Sehnsucht, sein Schmerzbewusstsein und seine Empfindlichkeit. Das passt in unsere Zeit."

Alle Infos unter www.dhaus.de

(RP)
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