Ausstellung Kunst, die angefasst werden möchte

Düsseldorf · Die Ausstellung „insane in the membrane“ thematisiert den Mangel an ertastbarer Kunst. Die Werke enthalten allerdings nur wenig Wahnsinn.

 Wandbild von Jens Kothe.

Wandbild von Jens Kothe.

Foto: Sammlung Philara

Die eindrucksvolle Halle der Sammlung Philara in Flingern ist eigentlich ein Raum für große und laute Auftritte. In der neuen Schau „Insane in the membrane“ sticht jedoch eine eher unauffällige Arbeit beim Eintreten in den lichten Raum heraus. Eine Holzplatte in der Mitte mit Polstern aus verschiedenen Formen bezogen, eckig, aber nicht symmetrisch hängt sie alleine an einer langen Wand und zieht den Betrachter zu sich heran. Dass die einfache Mehrschichtholzplatte mit einem Bezug aus weißem Nesselstoff so auffällt, liegt aber auch an den anderen, krachigen Arbeiten der neuen Schau, denn sie ist ein angenehm ruhiger und besonnener Kontrapunkt.

Der Gursky-Schüler Jens Kothe, der vor seinem Studium an der Kunstakademie Holzbildhauer in Oberammergau lernte, setzt mit seinen Wandobjekten eine stringente Idee um: das haptische Bild, wie er es nennt. Und in der Tat will man als Betrachter den Bezug spüren, die Oberfläche des Holzes ertasten und die Beschaffenheit der Polster erfahren. Diese Erfahrung des Haptischen von Kunst war bis ins 18. Jahrhundert noch gang und gäbe, leider hat die Musealisierung diesen wunderbaren Brauch verdrängt. Heutzutage muss man sich mit dem Betrachten begnügen. So bleibt die Erkenntnis, dass Kothes Wandobjekte einen schwer zu unterdrückenden Impuls bewirken, der in der zeitgenössischen Kunst nicht oft hervorgerufen wird.

Der Titel „Insane in the membrane“ spielt auf eine Sinnesverschiebung an. Denn durch die Digitalisierung ist Kommunikation nicht mehr mit der Membran, also der Haut erfahrbar, da Unterhaltungen, Bücher oder visuelle Erfahrungen durch Nullen und Einsen ersetzt werden. Daneben ist „Wahnsinnig in der Membran“, so die holprige deutsche Übersetzung, natürlich eine Textzeile aus dem HipHop-Klassiker „Insane in the Brain“ von Cypress Hill aus dem Jahr 1993. Und bedeutet im Slang der kalifornischen Gang Cripps – Teile der Band waren dort Mitglieder – etwas besonders Wahnsinniges oder Geisteskrankes zu tun.

Dieser Wahnsinn bleibt in der Ausstellung jedoch gut versteckt. Auch wenn man den Künstlern, allesamt zwischen 1981 und 1991 geboren, ein bisschen jugendlichen Wahnsinn zugestehen würde. Doch bleiben die meisten Arbeiten vor allem eins: Am internationalen Kunstmarkt orientiert. Und der verlangt gerade nach braver und leicht zu konsumierender Konzeptkunst.

Dass „Insane in the membrane“ nicht in die Falle der Beliebigkeit tappt, liegt an Künstlern wie Kothe. Oder auch an der Arbeit „La Nymphe Salmacis“ von Oliver Laric. Die sitzende Nymphe Salmakis besteht aus fünf verschiedenen Materialien, zum Teil durchsichtig, während der Kopf marmorn anmutet. Diese aus dem 3D-Drucker stammende Arbeit basiert auf einem Scan selbiger Skulptur, die 1826 von François Joseph Bosio geschaffen wurde und noch heute im Louvre steht. In Ovids Metamorphosen verband sich Salmakis mit Hermaphroditos zu einem zweigeschlechtlichen Wesen.

Was Larics Arbeit so besonders macht, ist aber nicht die Anwendung der 3D-Drucktechnik, sondern das dahinterstehende Konzept. Seit 2012 stellt er Scan-Dateien von berühmten Plastiken, Büsten und Statuen auf seiner Internetseite threedscans.com zum Download zur freien Verfügung. So schafften es seine Scans schon in ein Video der Rapperinnen Nicki Minaj und Cardi B, sie stehen aber auch ausgedruckt in vielen Regalen auf der ganzen Welt. So werden diese klassischen Statuen und Plastiken mit einer neuen Bedeutung aufgeladen, an der sich jeder Interessierte beteiligen kann und die Urheberschaft von Kunst demokratisiert. Deshalb sticht Larics Konzept auch in der Ausstellung heraus. Ist seine Idee doch die einzige, die einen direkten Bezug zu einem gesellschaftlichen Diskurs hat und auch Nichteingeweihte teilhaben lässt.

Während sich Simon Fujiwara angestrengt an Angela Merkels vermeintlichem neuen Make-Up abarbeitet oder ein mit Gymnastikbällen vollgestopftes Baumarkt-Regal (Rebekka Benzenberg) uninspiriert und brav auf wohlhabende Käufer abzielt, kann jeder mit ein Paar Klicks und für unter 100 Euro sich das Konzept von Laric ausdrucken und ins Regal stellen.

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