Düsseldorf Rosa von Praunheim erklärt sein Werk

Düsseldorf · Kurz nach seinem 70. Geburtstag war der Regisseur zu Gast im Filmmuseum und zeigte zahlreiche Kurzfilme.

 Der Regisseur Rosa von Praunheim führte durch 21 seiner insgesamt 70 Kurzfilme in der Black Box des Filmmuseums. Die Zuschauer erlebten intensive Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen.

Der Regisseur Rosa von Praunheim führte durch 21 seiner insgesamt 70 Kurzfilme in der Black Box des Filmmuseums. Die Zuschauer erlebten intensive Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen.

Foto: Christoph Goettert

Die 70 sieht man ihm nicht an. Okay, optisch ist er ein wenig runder geworden, und das Haar ist lichter. Mit den Jahren scheint er auch sanfter, verbindlicher geworden. Doch dieser Eindruck trügt. Holger Bernhard Bruno Mischwitzky alias Rosa von Praunheim ist und bleibt ein Querdenker. Er stellt die unbequemen Fragen, gibt gern selbst gleich die Antworten, sucht das direkte Gespräch mit dem Publikum, lässt es seine Gedichte vortragen, erzählt launig aus seinem Leben und führt anekdotenreich in seine neuen Filme ein.

Wer bei "Rosas Filmnacht" mit allein 21 Filmen bis zwei Uhr in der Früh in der Black Box dabei war, weiß, warum der provokante Berliner Regisseur und Schriftsteller, einer der wichtigsten Vertreter des postmodernen deutschen Films, zur Kultfigur avanciert ist. Im Laufe der Jahrzehnte hat der Schwulen-Aktivist der ersten Stunde nicht nur Bücher und Gedichte publiziert, sondern auch rund 50 lange Spiel- und Dokumentarfilme inszeniert. In einem Alter, in dem sich andere längst zur Ruhe gesetzt hatten, läuft Rosa von Praunheim zu neuerlicher Hochform auf. Vor 40 Jahren nahm er mit dem Film "Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt" an der Documenta 5 in Kassel teil, 2011 erhielt er für seine Dokumentation "Die Jungs vom Bahnhof Zoo" den Grimme-Preis, und erst vor kurzem wurden ihm 700 Minuten Sendezeit im deutschen Fernsehen zur Verfügung gestellt.

Denn den runden Geburtstag hat der exzentrische Praunheim genutzt, sich 70 verschiedene Hüte aufgesetzt und nonstop 70 neue Filme produziert und inszeniert. Herausgekommen ist "Rosas Welt". Und die ist alles andere als lieblich rosarot. Sie setzt sich aus Porträts, Lebens- und Sittenbildern, Interviews und kurzen Spielfilmen zusammen - schrill und schräg, satirisch und provokant, aber oft auch überraschend ruhig und poetisch. Der Zuschauer erlebt intensive Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen.

Der lange Abend in der Black-Box startete mit dem halbstündigen Film über "Meine Nachbarn". Ein älteres verheiratetes, schwules Paar, Gerd und Conny, leben inmitten von Gold-Barock mit Spitzendecken, Brokatmustern und Lüstern - eben so, wie man sich Klischee-Tunten vorstellt. Doch der Schein aus lackierten Fingernägeln und toupiertem Haar ist nicht alles, dahinter verbergen sich zwei Menschen, die seit 30 Jahren allen Widerständen zum Trotz Connys Bruder betreuen, der das Down Syndrom hat.

Zu Tränen rührend die letzten Aufnahmen von Manfred, der gegen Ende seines Lebens dann doch ins Heim musste, wo er - wie Rosa von Praunheim berichtet - vor zwei Wochen gestorben ist. Mit seinen Inszenierungen und vor allem seinen unverblümten Fragen rückt von Praunheim seinen Darstellern eng auf die Pelle. Ob es um die Lebensgeschichte des härtesten Türstehers von Berlin geht oder um das Generationenporträt von Gottfried (84) und Max (19) oder um Möpse in Not - die Bilder und Worte gehen unter die Haut, lassen den Zuschauer nicht kalt.

Ergreifend und verstörend wirkt auch das letzte Interview mit dem Regisseur Werner Schroeter, dem leidenschaftlichen Maria-Callas-Fan und größten Außenseiter des deutschen Films. Rosa von Praunheim kannte ihn gut, schließlich waren die beiden einst liiert. Praunheim ist sich seit den Anfängen treu geblieben. Seine Filme über Homosexualität, Aids, deutsche Bürgerlichkeit oder ungewöhnliche, ältere Frauen brachten stets intensive Diskussionen in der Gesellschaft mit sich und führten in Deutschland beispielsweise zur Gründung von über 50 Schwulengruppen.

Sorgte beispielsweise sein legendäres Werk "Die Bettwurst" - kleinbürgerlich, kleinkriminell und geschmacklos - noch für einen großen Skandal, so stellt sein unkonventionelles bis perverses Kino mittlerweile keine Revolte gegen den guten Geschmack mehr dar. Und Praunheim, der sich nicht wie 70, sondern so kindlich wie sieben fühlt, freut sich darüber, "dass Film unsterblich macht".

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