Ricarda Roggan in der Sammlung Philara Letzte Ausfahrt Kunstausstellung

In der Sammlung Philara zeigt Fotokünstlerin Ricarda Roggan Wracks und Apparate in sorgfältigen Inszenierungen.

 Fotografie "Garage 1" von Ricarda Roggan. Für diese Arbeit legte die Leipziger Künstlerin in mühevoller Arbeit Staub über Auto und Hallenboden.

Fotografie "Garage 1" von Ricarda Roggan. Für diese Arbeit legte die Leipziger Künstlerin in mühevoller Arbeit Staub über Auto und Hallenboden.

Foto: Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin; VG-Bildkunst, Bonn 2018

Ein Triptychon begrüßt die Besucher der neuen Ausstellung „Ex Machina“ von Ricarda Roggan in der Sammlung Philara: Drei Autowracks ziehen schon am Eingang den Blick auf sich. Beim Näherkommen wird das Gezeigte, Bilder aus Roggans Serie „Garage“, immer deutlicher. Die letzte Bühne ist hier bereitet für des Deutschen liebstes Kind. Entrückt, zertrümmert und staubig stehen die schrottreifen Wagen vor einem tiefen, schwarzen Hintergrund. Dabei ist überdeutlich, dass sie nicht zufällig in diese leere Halle gekommen sind.

Roggan inszeniert ihre wertlosen oder vom technologischen Fortschritt überholten Foto-Objekte mit feiner Eleganz. Um vorgefundenen Objekte baut sie eine Bühne auf. So hat sie für die Reihe „Garage“ in mühevoller Arbeit Staub auf Boden und Autos gesiebt und sie in Langzeitbelichtung in einer 2000 Quadratmeter großen Halle fotografiert. Der inszenatorische Aufwand lohnt sich: Der Hintergrund ist schwarz und endlos wie die Tiefsee, die Autos scheinen wie nach Jahrzehnten des Winterschlafes wiederentdeckt worden zu sein – unberührt von Menschenhand.

Die Leipziger Künstlerin, die an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in der berühmten Fotoklasse von Timm Rautert studierte, arbeitet wie nur noch wenige Fotografen. Roggan fotografiert analog, ihre Bilder werden nicht am Computer nachbearbeitet. Daran, sagt Roggan, habe sie kein Interesse und überdies viel zu wenig Geduld. Viele ihrer auch bei Philara ausgestellten Arbeiten sind zudem analoge Hand­abzüge, etwa die eindrucksvolle Serie „Apparate“ aus dem Jahr 2018.

Wie aus der Zeit gefallen wirken die zwölf Aufnahmen von Filmprojektoren. Dass die prädigitale Zeit faszinierende und wunderschöne Apparate hervorgebracht hat, zeigt Roggan in ihrer Serie. Auch hier inszeniert die Künstlerin die 8- und 16-Millimeter-Projektoren: Sie spiegeln sich im Glas und geben so einen weiteren Blickwinkel auf das Objekt frei. Was auf den ersten Blick wie monochromatische Fotografie anmutet, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als Farbfotografie. Erkennbar zum Beispiel an zwei roten Knöpfen des an das Braun-Design von Dieter Rams erinnernden schwarzen Agfa-Sonector-Projektors.

Das Suchen und Finden sind wichtige konzeptionelle Ankerpunkte in der Arbeit der Künstlerin, die seit 2013 den Lehrstuhl für Fotografie an der Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart innehat. So hat Roggan die Projektoren nicht in einem Studio fotografiert, sondern vor Ort bei einem Leipziger Sammler. Im Sammelsurium aus alten Filmprojektoren baute sie dafür ein temporäres Studio auf. Diese sorgsame Vorbereitung der Objekte und Räume ist der Grund, warum die Fotos trotz ihrer Entrücktheit niemals seelenlos, sondern immer stimmungsvoll wirken.

Die Serie „Reset“ aus dem Jahr 2011 zeigt alte, nicht mehr funktionierende Spielautomaten, die Ricarda Roggan in einer verlassenen Spielhölle auf Zypern gefunden hat. Funktionslos stehen die Automaten mittlerweile herum. Trotzdem sieht man ihnen den Gebrauch an, die Sitzpolster sind abgewetzt und die Lenkräder abgegriffen. Wie bei vielen Arbeiten Roggans vermutet man vor sich ein Readymade, das sich bei genauerem Hinsehen aber als streng durchdachte Inszenierung herausstellt.

Auf diesen Umstand geht auch der Titel der Ausstellung „Ex Machina“ ein. Der sprichwörtliche Gott aus der Maschine war im griechischen Theater für eine überraschende Wendung im Narrativ des Stückes verantwortlich und löste die Konflikte von Gotteshand. Bei Roggan werden die technischen Apparaturen durch ihre Inszenierung und bei genauer Betrachtung zu einem neuen Narrativ.

Mit „Ex Machina“ zeigt die Sammlung Philara einen wunderbaren Überblick über das Werk von Ricarda Roggan, eine der aktuell interessantesten Fotokünstlerinnen. Denn wie wenige derzeit schafft sie es, der Fotokunst eine sehr eingeständige und faszinierende Note zu entlocken.

Info Die Ausstellung „Ex Machina“ ist bis zum 17. März in der Sammlung Philara, Birkenstraße 47a, zu sehen.

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