Düsseldorf Reise durch das Gehirn

Düsseldorf · Miriam Meckel sprach anlässlich der "Düsseldorfer Reden" über Gehirnoptimierungen und gefährliche Selbstversuche.

 Das Rednerpult ließ sie links liegen: Miriam Meckel war zu Gast im Central.

Das Rednerpult ließ sie links liegen: Miriam Meckel war zu Gast im Central.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

Für ihre "Düsseldorfer Rede" hatte die Publizistin Miriam Meckel ein spannendes Thema gewählt: "Die Vermessung des Gehirns: Was bleibt von uns in Zeiten von Brainhacking und Neurokapitalismus?" Im weiten Rund der Bühne im Central zeigte sich schon das Bild für das Stück "1984", am Samstag ist Premiere. Miriam Meckel, lässig in Jeans und weißen Sneakers, ignorierte das Pult auf der linken Seite, suchte die Mitte und überlegte, ob sie wohl eine Art "Vorgruppe für die totale Überwachungsdystopie" von Orwell sein könnte. Bezüge sind durchaus vorhanden. Wie in Meckels Buch "Mein Kopf gehört mir" geht es im Roman "1984" um die Vision, auf welche Weise Grundrechte und Charakter sich verändern, wenn das menschliche Gehirn manipuliert wird.

In seiner Einleitung streifte Martin Kessler, Leiter des Ressorts Politik der Rheinischen Post, die beruflichen Stationen der Düsseldorferin und stellte die Professorin für Kommunikationswissenschaft und Herausgeberin der "Wirtschaftswoche" als "außergewöhnliche Persönlichkeit und Intellektuelle im besten Sinne" vor. In ihrer scharfen Analyse des Brainhacking sei sie unterhaltsam und mit einem Schuss Humor zu eindeutigen Schlussfolgerungen gekommen.

Das leuchtete den gefesselten Zuschauern sofort ein. Miriam Meckel ist eine brillante Rednerin. Ein Manuskript braucht sie nicht. Stattdessen geht sie eine Stunde auf und ab, untermalt ihre Ausführungen mit Gesten. Weil sie in lebendiger Sprache komplizierte Zusammenhänge verständlich zum Ausdruck bringt, macht man sich voller Freude und Spannung mit ihr auf die Reise durch das Gehirn. Miriam Meckel skizziert und lotet aus, was heute schon möglich ist, um das diffizilste Organ des Menschen zu optimieren. Und leider auch zu manipulieren. Ein schmaler Grat: von segensreichen Entwicklungen, etwa beim Lernen oder im medizinischen Bereich, bis hin zum Albtraum, wenn wir nicht mehr Herr über unser Denken sind. Dann wird die Behauptung "Die Gedanken sind frei" umgemünzt zu "Die Gedanken sind frei verfügbar". Da aber Neugier und Forscherdrang die Menschen antreiben, werde der Prozess nicht mehr zu stoppen sein, sagt Meckel. Denn längst ist unser Leben in vielen Bereichen ans Internet angeschlossen, Beispiele sind Autos, Bücher, Energiesysteme oder der Einkauf.

Einerseits warnt Miriam Meckel davor, das Gehirn bis in den letzten Winkel zu vermessen: "Es ist alles, was wir an Verstand, Vernunft und Gefühlen besitzen. Ein Refugium für Individualität, Freiheit, Persönlichkeit und vielleicht das letzte Geheimnis, das wir vor uns selbst haben." Andererseits kennt sie ihre eigene Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten. Ein riskanter Selbstversuch in Boston, bei dem sie sich über Elektroden Strom durch den Kopf jagte, endete fatal. Es ging ihr so elend, dass sie erkannte: "Wir müssen vorsichtig sein, wenn wir das Gehirn derart traktieren." Dennoch malt sie kein bloßes Horrorszenario. Gehirnoptimierung könne auch der Weg zu einer neuen Form der Evolution sein: "Der gegenwärtige Mensch ist nicht die Krone der Schöpfung, da wird noch viel kommen." Wie fasziniert das Publikum war, zeigte sich an dem ungewöhnlich langen und herzlichen Applaus.

(RP)
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