Düsseldorf Reinbacher kehrt als Oberkellner zurück

Düsseldorf · Seinen ersten Auftritt vor 50 Jahren hatte er in "Die Zirkusprinzessin". Jetzt ist er in der Operette von Emmerich Kálmán erneut zu sehen.

"Es bereitet mir großes Vergnügen, in einer Saison gleichzeitig im Schauspielhaus und an der Oper auftreten zu dürfen", sagt Wolfgang Reinbacher. "Und dann noch in derart bemerkenswerten Inszenierungen." Als Richter in dem packenden Bühnenstück "Terror" von Ferdinand von Schirach führt er die Verhandlung gegen den angeklagten Kampfjet-Piloten, der 164 Menschenleben auf dem Gewissen hat. Am Ende verkündet er das Urteil, das allein von der Entscheidung des Publikums abhängt. Hochspannung und heftige Diskussionen begleiten jede Vorstellung.

Da könnte der Kontrast zur beschwingten "Zirkusprinzessin" drastischer kaum sein. Nach dem Riesenerfolg in Duisburg vor durchweg ausverkauftem Haus hat die Operette von Emmerich Kálmán morgen Premiere in Düsseldorf. Wolfgang Reinbacher fiebert ihr nach den bisherigen beglückenden Erfahrungen geradezu entgegen. Als Oberkellner Pelikan taucht er erst im dritten Akt auf, verbringt die Zeit davor aber gern in den Kulissen. "Es ist toll, diese wunderbaren Sänger zu erleben", sagt er. "Ich bewundere sie für ihre Leistung. Und dann das grandiose Ballett! Fast die ganze Zeit über sind die Tänzer als Clowns auf der Bühne, sie lachen und weinen und kommentieren jede Szene."

Das Angebot von Intendant Christoph Meyer habe er voller Freude angenommen, erzählt der Schauspieler. Die Probenarbeit begeisterte ihn erst recht: "Josef Köpplinger ist ein fabelhafter Operettenregisseur. Er macht das so süß und so poetisch. Man darf dieses Stück nicht verblödeln, und das gelingt ihm." Fasziniert beobachtete Reinbacher, wie alle Beteiligten zunächst für sich allein übten - das Orchester, das Ballett, die Sänger. "Bis sich auf einmal alles zusammenfügte, wie bei einem Puzzle. Das ging Hand in Hand und funktionierte perfekt. Ich habe diesem Treiben so gern zugeschaut."

Er singt in dem heiteren Stück ein kleines Duett und darf, was ihn zusätzlich entzückt, auf seinen vertrauten Wiener Tonfall zurückgreifen. Beseelt berichtet er von seiner besonderen Verbindung zu dieser Operette: Vor über 50 Jahren finanzierte er sein Studium als Statist am Grazer Theater - und hatte seinen allerersten Auftritt ausgerechnet in der "Zirkusprinzessin", als stummer Kellner inmitten anderer Komparsen. Viele Jahre später gab er im "Weissen Rössl" in Düsseldorf den verliebten Oberkellner Leopold. "Und jetzt schließt sich mit dem Pelikan in der Oper wieder einmal einer meiner Lebenskreise" sagt er zufrieden.

Das widerfährt ihm bei "Terror" auch mit Nicole Heesters. Schon 1960 standen die seitdem gut befreundeten Kollegen am Düsseldorfer Theater in "Richard III." gemeinsam auf der Bühne. Er als junger Prinz, sie als Lady Anna. Es war nicht zuletzt ihr Plädoyer als Staatsanwältin, das Wolfgang Reinbacher dazu brachte, seine Meinung über den Ausgang des Verfahrens zu ändern. "Das Publikum ist ja immer für Freispruch, an allen Theatern, in denen das Stück läuft", sagt er. "Auch für mich gab es daran zunächst keinen Zweifel. Aber je länger ich da oben sitze und je mehr ich über alles nachdenke, desto mehr bin ich für einen Schuldspruch." Wolfgang Reinbacher verfolgt das Verfahren mit besonderem Blick. Er studierte Jura, bevor er am Max-Reinhardt-Seminar in Wien fürs Theater ausgebildet wurde. "Hätte man mich dort nicht aufgenommen, wäre ich Anwalt geworden." Warum er den Piloten verurteilen, dann nur mit einer milden Strafe belegen würde, kann er begründen: "Wo kommen wir denn hin, wenn wir das Gesetz aushebeln und von Fall zu Fall unseren eigenen Vorstellungen von Moral folgen? Das würde der Willkür Tür und Tor öffnen."

Der sich wiederholende Freispruch täte ihm leid für Nicole Heesters: "Die engagiert sich so! Und dann hat sie es schon wieder nicht geschafft. Was auch daran liegen mag, dass der Verteidiger nach ihr spricht. Damit tröste ich sie immer. Reinbachers Worte verdeutlichen es: "Terror" sprengt bei Schauspielern wie Zuschauern die üblichen Theatergrenzen. Fiktion und Realität vermischen sich. Die präzise Sprache sei eine Stärke des Stücks, sagt er: "Bei diesem Szenario kann kein Regisseur alles auf den Kopf stellen und auf seine Weise interpretieren." Seine Augen blitzen belustigt auf. Der fast 77-Jährige wirkt bemerkenswert frisch. Weder das Einverleiben umfangreicher Texte noch das häufige Spielen scheinen ihn zu beeinträchtigen. Das Alter, versichert er, sei keine Hemmschwelle, ganz im Gegenteil: "Am Theater ist man in reifen Jahren viel besser durchblutet."

(RP)
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