Familienoper Gruselspaß mit Zuckerwatte

James Reynolds Familienoper „Geisterritter“ nach dem Roman von Cornelia Funke findet im Opernhaus ein begeistertes Publikum. Erik Petersen inszeniert gefällig mit Videos und buntem Rahmenprogramm.

 David Fischer (Jon) und Romana Noack (Alma Popplewell) in der „Geisterritter“-Premiere.

David Fischer (Jon) und Romana Noack (Alma Popplewell) in der „Geisterritter“-Premiere.

Foto: Birgit Hupfeld

Wenn aus einem verwunschen schwarz-verhängten Raum mit Aufschrift „Friedhof Kilmington“ reihenweise Erwachsene und Kinder mit leuchtenden, manche auch mit vor Schreck geweiteten Augen herauskommen und an der Schlange der auf Einlass Wartenden ihre  Grubenlaterne weiterreichen, dann ist da gerade irgendetwas ziemlich faszinierend im Opernhaus. Es sind die letzten Minuten vor der Premiere des „Geisterritters“, der Oper von James Reynolds nach dem Jugendroman von Cornelia Funke, während derer die Nachzügler noch schnell die verbliebenen Stationen des Abenteuerspiels erleben wollen, mit dem seit zwei Stunden die Theaterpädagogik ihr Publikum ab zehn Jahren auf das Bühnenwerk einstimmt.

Im ganzen Haus duftet es nach Zuckerwatte, die im Foyer unter dem Namen „Geisternebel“ sich um Holzspieße spinnt. An jeder Ecke Puppen in merkwürdig alten, wie von Motten zerfressenen Gewänder herum. Aus lebensgroßen Ölgemälden glotzen seltsam gekleidete Leute, morbider, altenglischer Adels. Viele Kindergesichter sind zu schaurigen Fratzen geschminkt, als Tattoos haben Taranteln Hochsaison. Nur noch schnell den „Kick“ auf dem Friedhof. Im Kerzenflackern klappern Skelette zwischen Grabsteinen, hier flimmert ein Totentanz, dort fahren eklige Spinnweben über die Haut. Und zum Schluss springt mit fürchterlichem Gekreisch ein leibhaftiger Untoter aus dem Eckschrank. Das ist nichts für schwache Nerven.

Dann geht’s ans Stillsitzen, Schauen, Staunen, Zuhören. Denn selbst diese „Familienoper für junges Publikum ab zehn Jahren“ ist wenig interaktiv. Da quetscht sich zwar mal Großmutter Zelda (Susan Maclean) durch die ersten Sitzreihen und wirbt für ihre Geisterführungen. Da blenden auch mal Taschenlampen im Parkett herum. Ansonsten ist Bewegung auf der Bühne – und in der Fantasie. Viele junge Zuschauer kennen Cornelia Funkes Buch natürlich, vergleichen ihre Bilder im Kopf mit den Figuren auf der Bühne, die ja auch noch in einem Meer aus Musik baden, die James Reynolds komponiert hat. Und dabei auch noch singen. So nämlich geht Oper: Stimmungen und Gefühle werden zu Klängen, Worte zu Gesang und der Raum zur Bühne. Sogar die Zeit verändert sich, bleibt manchmal fast stehen, dann wieder springt sie, rast herum.

Regisseur Erik Petersen hat sich mit seinen Mitstreitern für die „Geisterritter“-Oper jede Menge Überraschungen ausgedacht. Vor allem lustige Animations-Filme, die eine Zugfahrt erzählen oder auf schwarze Tücher, die aus dem Schnürboden herabhängen, flugs einen Friedhof malen, oder einen Wald, oder ein Klassenzimmer oder eine Kathedrale. Da gibt’s immer was zu schauen, überall ist Bewegung. Es gibt einen Zug auf Rollen oder ein Zimmer samt Dachfenster und was man noch alles braucht, um die Geschichte zu erzählen. In deren Mittelpunkt steht der Junge namens Jon, der von seiner Mutter aufs Internat geschickt wird, weil er mit seinem neuen Stiefvater nicht klarkommt. Aber da, in Salisbury, spukt es. Der Geist von Lord Stourton trachtet Jon nach dem Leben, aber seine Freundin Ella und der steinerne Geisterritter Longspee helfen ihm. Stourton und seine Kumpane sind gruselig geschminkt mit langen Mähnen, und der Lord (Bernhard Landauer) singt auch noch schaurig mit Falsettstimme. Longspee sieht wirklich wie aus Sandstein gehauen aus, desgleichen all die Statuen, die in der Kathedrale neben ihm stehen und ganz schön rabiat werden können. Das macht Jon und Ella Hoffnung auf ein Happyend, bei dem Longspee auch noch sein Herz wiederbekommt, das er endlich seiner ebenfalls längst toten Geliebten schenken kann. Jon und Ella küssen sich, das Gespenst Stourton ist unschädlich gemacht und alles könnte wunderbar kitschig-schön enden – und so klingt das auch schon aus dem Graben -, wenn nicht Jon den Dirigenten, Patrick Francis Chestnut, zur Ordnung riefe und einen anderen, auch schönen Schluss herbeiführte.

Jon ist natürlich Tenor, David Fischer besitzt schönen Schmelz; Ella ist bei Sopranistin Monika Rydz in bester Kehle, zusammen sind sie fast ein Traumpaar. Eigentlich singen alle, auch der Chor, schön, obwohl sich die Musik ziemlich schwer anhört. Sogar Popmusik und Hiphop können die Düsseldorfer Symphoniker neben all den geisterhaften Gruselklängen, bei denen besonders die Schlagwerker zu tun haben. Zwischendurch geht es auch mal nicht so spannend zu, da wird’s unruhig auf den Sitzen.

Vor der Rückkehr ins richtige Leben da draußen gibt’s aber erst einmal einen langen, kräftigen, verdienten Applaus.

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