Picasso-Ausstellung in Düsseldorf In Zeiten des Krieges verblassen die Farben

Düsseldorf · Unter dem spröden Titel „Pablo Picasso. Kriegsjahre 1939 bis 1945“ zeigt die Kunstsammlung NRW in Düsseldorf anrührende Bilder des großen Künstlers zwischen Schwermut und Spott.

Was Pablo Picasso im deutsch besetzten Frankreich schuf, spart den Krieg vordergründig aus. So wie das „Kind mit Tauben“, das jetzt der Düsseldorfer Ausstellung über die Kriegsjahre 1939 bis 1945 als Leihgabe des Pariser Picasso-Museums ein Glanzlicht aufsetzt.

Dieses wundersam monströse, geschlechtslose Wesen, das auch durch andere Gemälde des Spaniers (1881-1973) geistert und ein Vorbild in seinem Umfeld während der Besatzungszeit hatte, trotzt unter den Blicken der Friedenstauben stolz, zugleich unbewusst der Barbarei. Sogleich erinnert man sich an „Picassos Welt der Kinder“, die vor 25 Jahren am selben Ort, im K20, dem Publikum die Augen öffnete für die Hoffnung, die aus den Kleinen spricht und die dem Künstler Trost bedeutete.

Es hängen also keine Schlachtenszenen an den Wänden, nicht einmal Fortsetzungen des bizarren Großgemäldes „Guernica“, mit dem Picasso 1937 auf die Zerstörung der spanischen Stadt durch den Luftangriff der deutschen Legion Condor und der italienischen Corpo Truppe Volontarie reagierte und dadurch Weltruhm erlangte. In Düsseldorf sieht man in 70 Gemälden, Skulpturen und Arbeiten auf Papier nur den Widerschein des Krieges: Szenen in oft gedämpfter Farbigkeit, in denen sich die Stimmung ihres Schöpfers zu spiegeln scheint. Die schwankte zwischen Spott und Niedergeschlagenheit.

Jedem der Kriegsjahre ist ein Saal zugeteilt, jedesmal ordnen Schrifttafeln die Ausstellungsstücke in den zeitgeschichtlichen Zusammenhang ein, von 1939, als Großbritannien und Picassos Wahlheimat Frankreich dem Deutschen Reich den Krieg erklärten, bis 1945, als das „Tausendjährige Reich“ endete. Von vornherein fällt beim Rundgang auf, dass Picasso sich in klassischen Darstellungsformen bewegte, in Stillleben, Porträts, Akten und Interieurs, und dass er experimentierend auf Formen zurückgriff, die er bereits früher entwickelt hatte. Vor allem der Kubismus bringt sich immer wieder in Erinnerung.

Es beginnt mit „Drei Schafsschädeln“ und einem hoch ästhetisch auf Papier getuschten „Mann mit Pferden“. Überhaupt durchziehen Tiere Picassos Kriegsjahre, darunter seine Hoffnungsträger Schaf und Taube. Er verbrachte diese Jahre nicht an der Front, sondern in Paris und im südwestfranzösischen Royan, war unter deutscher Besatzung zwar mit Ausstellungsverbot belegt, konnte sich diesem Verbot aber häufig entwinden und blickte am Ende des Krieges auf sage und schreibe 2200 Gemälde zurück, die er in dieser Zeit erschaffen hatte.

Fototapeten wie jene zum Jahr 1940, in der Picassos damalige Geliebte den Künstler neben einem Aktgemälde abgelichtet hatte, säumen den Weg – Dora Maar, die ihm in den folgenden Jahren immer wieder Modell stand, wie man auf mehreren, teilweise nebeneinander hängenden Gemälden beobachten kann. Auch auf einem der beiden Picassos, die aus der Schausammlung des K20 Eingang in die hochrangige Wechselausstellung gefunden haben, ist sie perspektivisch verzerrt zu erkennen, als „Frau im Lehnstuhl“ inmitten von Ornamenten.

Derlei abstrahierte Gesichter sind meist ausdruckslos, doch zwischendurch lächelt immer wieder mal ein Porträtierter die Betrachter an, wie der „Junge mit Languste“. Zurückzulächeln fällt schwer angesichts des grimmigen Krebses in seiner Hand.

Je weiter sich die Ausstellung dem Kriegsende nähert, desto mehr verblassen die Farben der Gemälde. Der „Große liegende Akt“ von 1942 ist eine graue Frauengestalt aus Kuben, die „Frauenbüste auf grauem Grund“ von 1943 scheint eher zu fauchen als zu lachen, bloß im „Stillleben mit Schädel, Lauch und Krug vor einem Fenster“ vom 16. März 1945 kommen noch einmal Pastelltöne ins Spiel. Das Konzentrationslager Auschwitz ist zu dieser Zeit von der sowjetischen Armee bereits befreit, bald wird Hitler Selbstmord begehen, am 8. Mai kapituliert das Deutsche Reich.

Nicht alle bedeutenden Werke zum Thema standen zur Verfügung. So fehlt Picassos überlebensgroße Bronzeskulptur „Mann mit Schaf“, die noch vor zwei Jahren in der Friedensausstellung des LWL-Museums Münster zu sehen war und mit der Picasso die Judenverfolgung 1942 in Paris kommentierte. In Düsseldorf zeugen davon immerhin Zeichnungen, die das Motiv variieren.

Picasso im K20 ist ein würdiger Beitrag zum Gedenkjahr 2020. Nur den Titel hätte man anders wählen können. Schließlich spricht aus Picassos unglaublicher Bilderproduktion in gewalttätiger Zeit weitaus mehr Hoffnung als Verderben: der Glaube an die Kraft der Kunst.

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