Aufführung im Tanzhaus NRW Getanzte Erinnerung an die Gegenwart

Düsseldorf · Colette Sadler und Mikko Gaestel stellten ihre multimediale Performance „ARK 1“ beim Festival „Temps d’Images“ im Tanzhaus NRW vor.

 Szene aus der Tanzperformance „ARK 1".

Szene aus der Tanzperformance „ARK 1".

Foto: Mikko Gaestel/Mikko Gaestel/TANZHAUS NRW

Wie wird das Wissen über das Leben auf der Erde in der Zukunft bewahrt? Das war die Ausgangsfrage für Colette Sadler und Mikko Gaestel, die ihre multimediale Performance „ARK 1“ im Tanzhaus NRW beim Festival „Temps d’Images“ vorstellten.

Die Inspiration zu „ARK 1“ kam der Choreografin und dem bildenden Künstler auf einem Schloss in Schottland, wie Mikko Gaestel bei der „Artist Conversation“ mit Choy Ka Fai und dem künstlerischen Leiter des Tanzhauses Stefan Schwarz verriet.

„In den Räumen des Schlosses hatte sich einiges an Kunst angesammelt. Wir haben uns gefragt: Wer hat das alles zusammengesucht und warum“, erinnerte sich Gaestel. Daraus hatten Colette Sadler und er die Grundidee zu „ARK 1“ entwickelt, eine Tanz-Performance, die ein Endzeitszenario durchspielt.

Gäbe es in der Zukunft noch Archäologen, die aus ihrem Fundus Vorstellungen ableiten, wie Kulturen in grauer Vorzeit wohl gelebt haben? Für die Konservierung der Gegenwart, soviel scheint klar, spielt der technische Fortschritt eine, wenn nicht die wichtigste Rolle. Künstliche Intelligenz statt Artefakte. Festplatten anstelle von Vitrinen in Museen.  

Im Kino werden Dystopien einer sich selbst auslöschenden Menschheit immer wieder mal durchgespielt. Auf der Bühne ist die Auseinandersetzung mit dem Ende der Welt, wie wir sie kennen, eher selten. In Sadlers und Gaestels multimedialer Performance ist das Hier und Jetzt zur fernen Vergangenheit geworden, das Ökosystem der Erde längst kollabiert.

Das fiktive Biotech-Unternehmen Vessels Inc. hatte, kaum dass sich die Katastrophe abzeichnete, ein Raumschiff entwickelt. Die „ARK 1“ hat nur einen Zweck, die Erinnerung an die gute alte Erde zu bewahren. An Bord arbeitet ein Algorithmus an einer digitalen Rekonstruktion der Tänzerin Leah Marojević. Mit ihrer Hilfe sollen körperliche Erfahrungen bewahrt werden.

Eine düstere Vision, die sich Sadler und Gaestel da ausmalten. Entsprechend tauchte das Publikum in den ersten Minuten der Performance im Tanzhaus ein in die Atmosphäre des im Weltraum schwebenden Raumschiffs. Aus dem Off sphärische Klänge und eine Programmiersprache, die das surreale Szenario noch unterstrichen. Die Zuschauer wurden über kurze Textpassagen mit den Tatsachen konfrontiert und der Aufgabe, die Vessels Inc. für die Menschheit übernommen hat. Wie Erinnerungen tauchten auf drei raumfüllenden Leinwänden Bilder von Räumen auf, die wie ein Museum ausgestattet waren. Orte, die früher zur Konservierung und Archivierung genutzt wurden. Die visuelle Umsetzung wirkte wie der Blick durch eine Virtual Reality-Brille dreidimensional.

Vor der Video-Projektion übernahm Mickey Mahar den Part der realen Leah Marojević, die erkrankt war. Zwei Tage hatte er Zeit, sich Sadlers Choreografie einzuprägen – eine Herausforderung für jeden Tänzer. Denn seine Bewegungen mussten mechanisch minimalistisch und wiederkehrend sein. Es waren die kleinen unscheinbaren Details, nicht der raumgreifende Tanz gefordert. Auf der Leinwand schweben irgendwann die Gemälde und Skulpturen durch die Luft. Wasser stieg im Raum immer höher. Tentakel tauchten auf und verschwanden wieder.

Nichts schien mehr an seinem Platz bleiben zu können, die Perspektive veränderte sich, und damit stellte sich dem Publikum am Ende die Frage: Ist eine digitale Version ihrer selbst das, was sich die Menschheit als Erinnerung an ihre Existenz bewahren möchte?

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