Rheinoper Düsseldorf Oper "Tod in Venedig" ohne Lagune

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Rheinoper zeigt Benjamin Brittens letztes Musiktheaterwerk.

So fanden die Düsseldorfer Opernscouts den "Tod in Venedig"
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So fanden die Düsseldorfer Opernscouts den "Tod in Venedig"

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Benjamin Brittens letzte Oper "Death in Venice" ist ein Versuch über die Einsamkeit: Das karge Opus kreist drei Stunden um die Figur des alternden Schriftstellers Gustav von Aschenbach, den in Venedig eine aufflammende Leidenschaft zu dem Jüngling Tadzio ergreift, an der er zugrunde geht. 50 Jahre nach der Veröffentlichung von Thomas Manns berühmter Novelle griff Britten nach dem Stoff und komponierte eine Partitur von aufreizender Sprödigkeit: Die Partie des Aschenbach ist in altmeisterlicher Rezitativtechnik notiert, der Orchesterapparat ist relativ klein, aber reich an Schlagwerk. Auch die Dramaturgie hat es in sich, denn die 17 durchkomponierten Szenen verlangen etliche Ortswechsel und damit virtuose Überblendungen.

Das kommt Regisseur Immo Karaman entgegen, der ursprünglich zum Film wollte und gern mit Effekten arbeitet, die an Schwarzblenden im Kino erinnern. Zu Beginn sieht man auf der Bühne nur einen schmalen, hohen Kasten, eine Art Aufzug-Gefängnis, in dem der Dichter sitzt. Wenn der Kasten hochfährt, öffnet sich eine grün tapezierte Halle in der Optik eines angeranzten Grandhotels. Kaspar Zwimpfer hat diesen metaphorischen Einheitsraum mit vielen Türen versehen, der den Massen eine geräuschlose Logistik ermöglicht. Das Wasser der Lagune, Venedig und der Lido-Strand kommen nicht vor in Karamans antinaturalistischer Regie, die Brittens Gestus des Künstlichen mit der Choreografie von Fabian Posca auf die Spitze treibt.

Tatsächlich ist der angebetete Tadzio schon bei Britten eine stumme Tänzer-Rolle, auf der Bühne der Rheinoper aber wimmelt es von Tänzern, Solisten im Laufschritt, posierenden Statisten und Chortableaus. Einzig Aschenbach darf mit hängenden Schultern herumsitzen und über die Bühne schlurfen.

Karaman hält mit diesem aufgekratzten Aktionismus das Geschehen erfolgreich auf Trab, die überzeichnenden Effekte nutzen sich aber schon vor der Pause ab. Zumal das Treiben die Konzentration auf das Drama von Aschenbachs Entwürdigung schwächt, statt sie zuzuspitzen. Aber vielleicht kriecht der schleichende Spannungsabfall des Abends auch aus dem Graben herauf, wo Lukas Beikircher das Orchester zwar zu klarer Diktion und Schärfe aufruft, aber im Ausdruck pauschal bleibt. Christoph Kurigs Chor dagegen ist bestens präpariert, blitzsauber und spürbar verjüngt im Klang und enorm spielfreudig. Das formidable Ensemble wird angeführt vom famosen Raymond Very in der (für Peter Pears' engmensurierten Tenor konzipierten) Rolle des Aschenbach: Very singt ohne jede Anstrengung, kernig und doch mit lyrischem Fluss.

Mit Abstrichen ein würdiger Abschluss des Britten-Zyklus.

(RP)
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