Belletristik Jenseits von Sinn und Verstand

Düsseldorf · Stephan Kaluza schaut in neuen Kurzgeschichten auf menschliche Absurditäten.

 Stephan Kaluza ist erfolgreicher Künstler.

Stephan Kaluza ist erfolgreicher Künstler.

Foto: Andreas Bretz

Sprünge aus dem Weltall, verschrobene Künstler, Alltagsneurosen. Solchen Verrücktheiten hat Stephan Kaluza nun einen Kurzgeschichtenband gewidmet. „Das Buch der sinnlosen Wege“ heißt das neue Werk des Düsseldorfer Schriftstellers und Künstlers. Doch der Untertitel „20 Grotesken“ legt nahe: Es geht nicht um das Porträtieren alltäglicher Spleens.

Vom italienischen Wort grotta (Höhle) abgeleitet bezeichnete der Begriff Groteske in der Renaissance fabelhafte Mischwesen, wie sie etwa in den Gemächern des Palastes von Kaiser Nero zu finden sind. Diese zusammengewürfelten Gestalten verglich der antike Dichter Horaz mit den Phantastereien eines Kranken: Wie im Fiebertraum schieben sich Realität und Einbildung übereinander, sodass uns das Gefühl für die Wirklichkeit abhanden kommt. Auf solch ein unmerkliches Kippen ins Bizarre stellt man sich als Leser bei diesem Untertitel ein – und kommt teilweise auf seine Kosten, beispielsweise in „Der Geist und die Dunkelheit“. Die Szene: die Veranda eines Gartenrestaurants. Ein Ehepaar sitzt mit dem Architekten über Bauplänen. Doch es gibt Probleme mit der neuen Wohnung. Ein länglicher Pool ist aus Platzgründen nicht möglich, und die durchgehende Fensterfront des Schlafzimmers übersteigt die Grenzen der Physik. Die Gattin ist nicht erbaut. Doch als von Pfauen, Tennisplätzen, Aufbauten und der Abfahrt zu den Osterinseln die Rede ist, ahnt der Leser, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Die Geschichte kippt ins Unvorstellbare, das etwas Bedrohendes an sich hat.

In mehreren Erzählungen verbindet Stephan Kaluza dies gekonnt mit Reflexionen über das künstlerische Schaffen. So beispielsweise in „Real Standard“, wo die Typen „geschäftiger Produzent“ und „idealistischer Autor“ die Plätze tauschen. Während der Schriftsteller vor allem den Scheck im Sinn hat, versteht sich der Filmemacher als Wortlautbewahrer und will Himmel und Erde in Bewegung setzen, um das Meisterwerk buchstabengetreu in einen Film zu übersetzen.

Doch die fieberhafte Unruhe, das Abgleiten der Geschichten ins Bodenlose (siehe „Du fällst gleich“), findet sich nur in einigen Kapiteln. Ein Großteil der Episoden reißt den Leser nicht in den Abgrund, sondern plätschert dahin. Wenn wir einem neurotischen Büroangestellten folgen, der seinen Weg zur Arbeit minutiös plant, so ist das sicherlich aberwitzig, jedoch nicht grotesk. Hier steht eher die Sinnlosigkeit im Vordergrund, die skurrile Formen annimmt.

Das ist amüsant zu lesen, hat aber mehr den Charakter von Schnurren als von Grotesken.

Info Stephan Kaluza: „Das Buch der sinnlosen Wege“, Grupello Verlag, 271 Seiten, 17,90 Euro.

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