Roman von Dorothee Achenbach Achenbach erzählt eine Liebesgeschichte

Nach zwei Bänden über die Beziehung zur ihrem Ex-Mann Helge legt Dorothee Achenbach nun einen Roman vor.

 Dorothee Achenbach im Hetjens-Museum. Dort stellte sie ihren neuen Roman vor.

Dorothee Achenbach im Hetjens-Museum. Dort stellte sie ihren neuen Roman vor.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Milliardäre, um viel Geld betrogen, spielen in diesem Buch keine Rolle. Und wenn es um Kunst geht, ist lediglich die der Verführung gemeint. Dorothee Achenbach hat zuletzt ihre Erlebnisse als hintergangene und am Ende allein gelassene Gattin in zwei Büchern mit dem ihr eigenen trockenen Humor großartig verarbeitet. Und erfolgreich vermarktet! „Meine Wäsche kennt jetzt jeder“ hieß das eine, „Ich liebte Sträfling Nr. 1“ das zweite. Thema: Der Skandal um den Ex-Gatten, der ihm den Zweitnamen Aldi-Betrüger einbrachte, ihn in den Knast und sie in die buchstäbliche Armut führte. Heute, gut zwei Jahre nach der Scheidung, und um einige zigtausend Stück verkaufter Bücher weiter, hat sie das (und ihn) hinter sich gelassen. Das zeigt auch ihr neues Werk. „Im Schatten des Mond­sterns“ heißt es. Eingeweihte verstehen sofort den Hinweis auf die Türkei, in deren Staatswappen eben nicht nur ein Halbmond, sondern auch ein Stern zu sehen ist.

Die Türkei also – und vor allem einige ihrer Menschen. Die Autorin hat sich offenbar tief hineingekniet in die Historie und Geographie des Landes, hat Frauen, Männer und Kinder erlebt und gesprochen, die legendäre Küche genossen. Mit verblüffender Genauigkeit schildert sie das alles, und webt daraus die Kulisse für eine Story, für die der Begriff „Cliffhanger“ erfunden worden sein könnte. Jene Situationen also, in denen ein Kapitel endet, aber keine Auflösung des spannenden Moments bietet, somit den Leser zwingt, weiter zu lesen, weil er auf jeden Fall wissen will – oder besser: wissen muss –, wie es weitergeht.

Wir lesen uns ein in zwei Handlungsstränge: Hier der arme Tarik in den 1960er Jahren, fasziniert vom Hörensagen rund um eine fernes Land namens Almanya, in dem er endlich ein Auskommen für sich und seine wachsende Familie zu finden hofft. Was am Ende auch gelingt. Aber er muss dafür den Jüngstgeborenen in Istanbul zurücklassen. Dort Greta, eine deutsche Frau, politisch engagiert und beruflich in der Werbebranche unterwegs, seit kurzem Witwe – ihr Gatte, zuletzt nicht mehr der strahlende Ritter von einst, haucht sein Leben in den Armen einer Kölner Prostituierten aus. Was einerseits ein Skandal und andererseits für Greta der Beweis ist, dass das eigene Ehegespons schon seit Jahren extern gern Nähe genoss – und dies nicht ohne demografische Folgen. Mehr sei nicht verraten, nur so viel: Der Tote geistert nur noch als abschreckendes Beispiel durch die Handlung der Story, denn Greta (hier blitzt nun doch ein bisschen Autobiographie auf!) hat ihn auch gedanklich wie unnützen Ballast abgeworfen und lernt einen neuen Mann kennen, verliebt sich auf den ersten Blick in Navid. Der sieht atemberaubend gut aus, ist angeblich türkischer Geschäftsmann und ein Charmeur erster Güte, wenn auch mit nebulösem Background und ein Freund von Namenswechseln und schrägen Geschäften. Wie man so was beschreibt, weiß Dorothee Achenbach ja aus persönlicher Erfahrung. Hautnah hat sie den Absturz ihres Ex-Mannes Helge erlebt, der einen Teil der Aldi-Familie beim Verkauf von Kunst und Oldtimern betrogen hatte. Da gibt es dann doch einige Parallelen – unter anderem die auch für die Autorin nicht aufzulösende Frage „Mag man ihn, oder mag man ihn nicht?“

Wer nun vermutet, dass in „Im Schatten des Mondsterns“ was zusammenwächst, was eigentlich nicht zusammengehört, liegt richtig und darf gespannt sein, wie sich das – erstens – findet und dann – zweitens – wieder auseinander dividiert. Oder auch nicht.

Jedenfalls gelingt es der Autorin mit dem großen Talent der Geschichtenerzählerin, die zwei scheinbar so weit voneinander entfernten Erlebnisebenen zusammenzuführen, und dies keinesfalls umständlich konstruiert, sondern flott und logisch. Man könnte auch sagen: zwangsläufig. Mit schöner Leichtigkeit beschreibt sie die mitunter schwere türkisch-deutsche Beziehungskiste.

Dabei half ihr die große Liebe zu diesem Land zwischen Bosporus und irakisch-syrischer Grenze: Man spürt, dass sie das Land und seine Leute tatsächlich erlebt hat, mehrfach. Entfacht wurde diese Faszination sehr früh: Die studierte Kunstgeschichtlerin und Politologin reiste als Studentin wochenlang mit Kommilitonen im Wohnmobil durch die Türkei. Und hat sie seitdem immer wieder besucht. Bei ihrer peniblen Recherche hat sie Details kennengelernt, die sie so nicht kannte und die auch den Leser verblüffen werden – manche kurios, manche herzzerreißend wie das, was sie den „Verrat an türkischen Kleinkindern“ nennt, von deren Schicksal man in Deutschland nie gehört hat. Fazit: spannend, berührend und lehrreich.

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