Neue Ausstellung im Hetjens-Museum Keramik zwischen Form und Funktion

Düsseldorf · Das Bauhaus beeinflusste Architektur, Keramik und Design: Das Hetjens-Museum zeigt nun eine Ausstellung über den Stil, der auch 100 Jahre nach seiner Entstehung unsere Vorstellung vom Ästhetik prägt.

 Teegeschirr entworfen von Eva Stricker-Zeisel: ein Hybrid aus Form und Ästhetik.

Teegeschirr entworfen von Eva Stricker-Zeisel: ein Hybrid aus Form und Ästhetik.

Foto: Annegret Gossens

Einen Tag vor der Eröffnung herrscht noch Geschäftigkeit im Untergeschoss des Hetjens-Museums. Neben zwei aufgeklappten silbernen Leitern liegen geöffnete Werkzeugkoffer, es wird gebohrt und geklopft. Die Decken sind so niedrig, dass man fast auf die Idee kommen könnte, die Leitern hätten keinen praktischen Zweck, sondern gehörten zum Dekor. Thematisch würde das passen. „Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker“: Dieser Satz von Bauhaus-Gründer Walter Gropius begrüßt den Besucher schon vor dem Eingang der Ausstellung im Treppenhaus. Am Samstag eröffnet die Schau im Keramik-Museum.

Das Bauhaus steht, so wie in der Architektur auch in der Keramik, für moderne Formen, aber auch für das Praktische. Die Ausstellung im Hetjens-Museum zeigt, wie weit der Einfluss dieses Stils reicht und wie viel davon bis heute bekannt wirkt, auch 100 Jahre nach der Gründung der Schule in Weimar. Streng genommen feiert die erste Keramik-Werkstatt, die von Gropius eröffnet wurde, ihren 99. Geburtstag. Ein Jahr nach der Eröffnung der Kunstschule war es nämlich, also 1920, als Walter Gropius in Dornburg an der Saale für die Werkstatt den richtigen Standort fand. Von Anfang an war dort klar: Ästhetik sollte Hand in Hand mit Funktion gehen, der soziale Gedanke war für das Bauhaus zentral. Diese Verbindung macht auch der Titel der neuen Hetjens-Ausstellung deutlich: „Wechselwirkungen. Meister und Gesellen des Bauhauses zwischen Werkstatt und Industrie“.

Es sind also viele funktionale Objekte unter den rund 130 Exponaten. Dafür steht exemplarisch Theodor Bogler – seine emblematische Küchengarnitur mit fünf Teilen ist schlicht, schön und weiß. Darauf in klarer Schrift: „Essig“, „Mehl“, „Ingwer“, „Zimmet“, „Erbsen“. Es sind leichte Behältnisse, die praktisch nebeneinander auf das Regal gestellt und heraus genommen werden können. „Das war die Ausstattung der Köche“, sagt Kuratorin Christina Kallieris. Alles sei aus der Perspektive der Benutzer gedacht, sagt sie. „Also frühes Ikea“, fügt Museumsleiterin Daniela Antonin scherzhaft hinzu.

Ein besonderer Fokus der Ausstellung liegt auf Werken von Frauen. Obwohl das Bauhaus von Anfang an für Gleichberechtigung stand, hatten Frauen in der Praxis kaum Aufstiegschancen, sagt Kuratorin Christina Kallieris. Mehr Erfolg hätten viele von ihnen in der Industrie gehabt. „Dort waren sie Chefentwerferinnen.“ So wie Eva Stricker-Zeisel – die in Budapest geborene Jüdin sei bis heute in ihrer Wahlheimat, die USA, als große Industriedesignerin bekannt. Obwohl sie nie am Bauhaus studierte, ist der Einfluss nicht zu übersehen. Ein von ihr entworfener Krug ist im Hetjens zu sehen, flach von der Seite, damit sich daran weitere flache Behältnisse fügen können. Gleichzeitig ist das Service in hellen, fast grellen Farben gehalten: viel Grün, durchstochen von Pinselstrichen in Gelb, Orange und Rötlich-Braun. „Verspielt“ nennt Daniela Antonin das. Stricker-Zeisel ist Bauhaus ohne seine typische Strenge.

Solche Hybridformen ziehen sich durch die neue Ausstellung im Keramik-Museum. Die meisten Künstler haben Aspekte des Bauhauses übernommen und ihre eigenen Vorstellungen hinzugefügt. Deswegen passt es auch, dass die Schöpfer mit Bild und Biografie neben ihren Werken gezeigt werden. In dem neuen Rundgang erfährt man viel über Keramik im Bauhaus und mindestens genau so viel über die Menschen, die sie gestalteten.

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