Düsseldorf Martin Zingsheim ehrt Lore Lorentz

Düsseldorf · Das muss sich einer erst mal trauen: mit Liedern von Lore Lorentz, der legendären Prinzipalin des Kom(m)ödchens, am Ort des Geschehens auftreten. Dazu noch an dem Tag, an dem sie 95 Jahre alt geworden wäre, im Beisein ihres Sohnes Kay Lorentz, der heute die Geschicke des Hauses so erfolgreich leitet. Gleich zweifach kritisch blickt die legendäre Frau vom Fotoporträt an der Wand. Grund genug, um sich um den 31-jährigen Künstler, der das wagt, Sorgen zu machen.

 Martin Zingsheim sang Lieder der früheren Prinzipalin des Kom(m)ödchens.

Martin Zingsheim sang Lieder der früheren Prinzipalin des Kom(m)ödchens.

Foto: Veranstalter

Allerdings handelt es sich um den Träger des deutschen Kleinkunstpreises Martin Zingsheim, und Kay Lorentz hat die Entstehung des Programms genau verfolgt. Zingsheim zeigt sich der Aufgabe gewachsen, er ist ein großartiger Sänger und ein exzellenter Pianist - und er hat hochwertiges Textmaterial zur Hand. Das lernte er kennen, als er sich in der Künstlerwohnung des Kom(m)ödchens in das Archiv vertiefte. Das Erstaunliche - und auch Erschreckende an diesen Texten: sie sind so furchtbar aktuell. Zingsheim hat sie mit neuen Melodien versehen, sie dadurch in die Gegenwart geholt, ohne dass sie von den Worten ablenken. Elton John oder Reinhard Mey klingen da an, im herrlich albernen "Hals-Nasen-Ohren-Song" imitiert er Herbert Gröneymeyer. Der ja, so sagen einige, nach Hals-Nasen-Ohren klingt.

So unbeschwert geht es selten zu. "Frieden ist Krieg, der woanders ist" aus dem "Tagebuch eines Waffenhändlers" hat Zingsheim auf die Idee gebracht, die Chansons neu zu beleben, seine kabarettistischen Überleitungen kratzen die Patina vollends ab. So spricht er über Fremdenhass und die "deutschen Wölfe, die es unter dem Schafsfell juckt." Im vielleicht besten Song des Abends "Der brave Eugen", wie einige der Texte von Martin Morlock geschrieben, singt der naive Protagonist: "Ich hab nichts zu verbergen, ich scheue nicht das Licht" - so lange, bis ihn der Geheimdienst abholt. Beklemmend. Wer denkt da nicht an die Internet-Nutzer, also uns, die so Vieles von sich preisgeben. Ganz sentimental wird es am Ende, als Zingsheim mit Geiger das erste Lied vorträgt, das Lore Lorentz 1947 im Kom(m)ödchen sang. "Auf der Straße nach Dijon". Herzlicher Beifall.

(RP)
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