Tanz in der Rheinoper Ritterschlag für einen Choreografen

Düsseldorf · Martin Chaix zeigt ein neues Werk mit dem Rheinopern-Ballett – neben Arbeiten von Hans van Manen und Martin Schläpfer.

 Choreograf Martin Chaix im Café „Süße Erinnerungen“.

Choreograf Martin Chaix im Café „Süße Erinnerungen“.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Der traut sich was, der Martin Chaix. Beim Ballettabend „b.39“ wird seine Choreografie „Atmosphères“ uraufgeführt – zwischen den Werken zweier Ikonen: nach „Dances With Piano“ von Hans van Manen und Martin Schläpfers „44 Duos“, ebenfalls eine Uraufführung.

„Das ist eine so große Ehre für mich“, sagt der Franzose, der von 2009 bis 2015 in der Kompagnie der Rheinoper tanzte. Danach entschied er sich ganz für die Choreografie. „Ich hatte das sichere Gefühl, diesen Sprung machen zu müssen. Der Abschied als Tänzer fiel mir dann überraschend leicht. Es hilft vermutlich, wenn man ein Ziel vor Augen hat.“

Dennoch sei er bei jeder Ballett-Premiere sehr nervös und drücke den Kollegen die Daumen. „Komplett ausklinken kann man sich nach so langer Zeit nicht“, weiß Martin Chaix. Zumal seine brasilianische Frau Mariana Dias weiterhin in der Kompagnie tanzt. Nur jetzt gerade nicht: Das Paar erwartet in Kürze sein zweites Kind. „Die Geburt sollte aber besser erst nach der Premiere geschehen“, hofft er.

„Atmosphères“ ist seine zweite Choreografie für das Ballet am Rhein, 22 Tänzer werden diesmal mitwirken. Es geht darin um das Erinnern und um die Beweggründe von Menschen, bestimmte Dinge zu tun. „Wer sind wir und wo stehen wir?“ fragt er und erzählt, in das Stück sei sehr viel Selbsterlebtes eingeflossen. Deshalb hat er als Treffpunkt das winzige Café „Süße Erinnerungen“ in Bilk ausgewählt, in dem auch viele Künstlerkollegen verkehren.

Drei Musikstücke sind in „Atmosphères“ zu hören, von Penderecki, Beethoven und Ligeti. „Die Musik ist bei meinen Balletten immer zuerst da“, erzählt er, „von ihr lasse ich mich inspirieren.“ Beethovens Klaviersonate „Pathétique“ versteht er als Hommage an seinen Vater. Die Familie lebte im südfranzösischen Albi bei Toulouse. „Als ich ein Kind war, spielte er jeden Abend für mich auf dem Klavier. Dabei bin ich dann eingeschlafen. Er starb viel zu früh, ich war erst 18 Jahre alt.“

Von ihm, einem Fotografen, erbte er das Bedürfnis, sich auf vielerlei Gebieten künstlerisch auszudrücken. Martin Chaix ist nicht nur Tänzer und Choreograf, er fotografiert und filmt auch mit großer Leidenschaft. Sein Vater wäre mit ihm zufrieden, glaubt er, „denn das hätte er sich gewünscht“. Immerhin erlebte er noch mit, in welche Richtung der Weg des Sohnes führte. Mit sechs Jahren war Martin schon in der Ballettschule, als einziger Junge weit und breit. „Natürlich wurde ich deshalb auch von meinen Freunden belächelt“, sagt er. „Aber das hat mich nie gestört. Tanzen war das, was ich immer wollte.“ Seine klassische Ausbildung erhielt er in Paris, wo er von 1993 bis 1999 an der École de Dance de l’Opéra National studierte. Und sich vom ersten Moment an wähnte wie Harry Potter im Zauberreich: „Plötzlich war ich nicht mehr allein unter vielen Mädchen, es gab noch mehr Jungen, die das machten. Eine wunderbare Erfahrung, meine Passion teilen zu können.“

Martin Chaix wurde in die Pariser Kompagnie übernommen, tanzte anspruchsvolle Rollen – und spürte dennoch irgendwann, dass es Zeit war für Aufbruch und Neuorientierung. „Das klassische französische Ballett schien mir etwas stehengeblieben zu sein“, bemerkte er. „In Deutschland war die Lust am Experimentieren sehr viel ausgeprägter.“ 2006 wechselte der Tänzer als Solist ans Leipziger Ballett und von dort zur Kompagnie der Rheinoper. „Das hatte meine Frau Mariana eingefädelt“, sagt er. „Sie meinte, da müsse ich unbedingt hin. Und dann ergab sich tatsächlich das große Glück, dass wir als Paar angenommen wurden.“

Sich nun ganz der Choreografie zuzuwenden, sei der richtige Schritt gewesen, bestätigt er. Inzwischen erarbeitet Martin Chaix seine Stücke mit Ensembles im In- und Ausland. Aber „Atmosphères“ mit seinen unterschiedlichen Stimmungen ist für ihn noch einmal etwas ganz Besonderes – weil er das Ballett in seiner Wahlheimat verwirklichen konnte und er den Gleichklang mit Hans van Manen und Martin Schläpfer als Ritterschlag empfindet.

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