Minimalismus nach Noten Pläsier und Plage

Düsseldorf · Minimalismus über 90 Minuten: Der italienische Pianist und Komponist Ludovico Einaudi gab ein Konzert in der Tonhalle.

 Der italienische Komponist und Pianist Ludovico Einaudi.

Der italienische Komponist und Pianist Ludovico Einaudi.

Foto: dpa

Die Tonhalle war voll. Der italienische Pianist und Komponist Ludovico Einaudi erwies sich als starker Anziehungspunkt eines gemischten Publikums mit vielen jungen Gesichtern. Am CD-Stand gab es nicht nur Tonkonserven, sondern auch viele Notenbände mit Klaviermusik von Einaudi. Die Stücke sind gefällig, technisch nicht besonders schwierig und bieten Klavierlehrern eine Chance, die womöglich klassischer Literatur überdrüssige Jugend zurück an die Tasten zu holen.

Einaudi bot zur Musik noch etwas Show: Über dem Podium waberte etwas Kunstnebel, die den Scheinwerferlicht im abgedunkelten Saal sichtbar werden ließ. Der Pianist war derweil nicht allein: Ein Geiger und ein Cellist ergänzten Einaudi zum klassischen Klaviertrio. Ein paar Meter weiter saß jemand am Mischpult und sorgte für Maßarbeit bei der elektroakustischen Verstärkung der drei Instrumente.

Beim Hören fühlte man sich an Minimalisten wie die Amerikaner Steve Reich und Philip Glass erinnert, aber auch an den Esten Arvo Pärt. Der gehaltvolle Anschlag ließ gar an den großartigen Jazz- und Klassik-Pianisten Keith Jarrett denken, wenn auch nur kurz. Ja, Einaudis Klavierspiel besitzt ein wenig Magie, aber die Wirkung ist begrenzt. Denn wie beim Minimalismus so üblich, zieht die Musik keine weiten Zirkel, sondern verharrt an einem Punkt.

Die schier ewige Wiederholung von Mustern brachte Pläsier und Plage: Zunächst entfaltete das lange Ritornell beträchtliche Zugkraft. Im Zentrum hat Einaudi einen Moll-Akkord verankert. An diesem ging an dem Abend kein Weg mehr vorbei – da konnte die Violine noch so sirenenhafte Flageoletts zirpen. Das besaß alles einen gewissen Reiz. Doch mit der Zeit nutzte sich die Grundidee ab. Die Macht der Wiederholung schwächte sich allmählich ab und hatte auf einmal einer anderen Macht, jener der Ermüdung, nicht mehr viel entgegen zu setzen.

Gleichwohl gab es sehr anregende Momente. Einaudi, auch als Filmmusikkomponist bekannt, kann mit Klängen eine intime Atmosphäre herstellen. Das gelang ihm auch bei seinem Auftritt in der Tonhalle mit emotional hoch aufgeladenen Akkorden. Meist waren es leise Töne, die Einaudi anschlug, doch immer wieder baute er langsame Steigerungen auf. Bewegung in die Sache kam durch schnelle Arpeggien, die innerhalb der Akkorde rotierten – sowohl in denen des Klaviers als auch in denen der beiden Streicher.

Unterdessen saß Einaudi mit dem Rücken zum Publikum am Flügel. Er trat nicht als Star auf, sondern mehr als Klavier-Poet, der still im Geheimen wirken will. Man sah vom Gesicht nur gelegentlich mal das Profil, wenn er den Kopf zu den beiden Streichern wandte. Kräftig in die Tasten kangte er nie. Die 90 Minuten, die er ohne Pause mit Klängen füllte, waren fast durchgehend sanft wie Wiegenlieder. Nur am Schluss – zu etwas aufgehelltem Scheinwerferlicht – ging Einaudi über sich selbst hinaus: Eine abwärts gerichtete Moll-Skala in Oktaven der linken Hand wiederholte sich in großem Crescendo. Das ereignete sich gegen 21.30 Uhr, ein geeigneter Zeitpunkt fürs Finale.

Und so war es dann auch. Der letzte Akkord war laut, dazu noch etwas verstärkt mit Hilfe der Lautsprecher. Für die vielen Besucher, die nun ausgiebig jubelten, war es der krönende Abschluss eines großen Abends, für manchen, der rasch das Weite suchte, vielleicht eine Erlösung nach viel Zeit beanspruchendem Einerlei.

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