Düsseldorf Lore Lorentz ist auf DVD so aktuell wie früher

Düsseldorf · Die Höhepunkte aus den Fernsehaufzeichnungen der Kom(m)ödchen-Programme von 1960 bis 1989 sind in einer DVD-Box vereint.

Die ersten Fernsehsendungen flimmerten 1952 über die noch wenigen Bildschirme in der Bundesrepublik. Damals waren Kay und Lore Lorentz mit ihrem Düsseldorfer Kom(m)ödchen schon recht flott unterwegs. Am 29. März 1947 hob sich in dem Theater an der Hunsrückenstraße zum ersten Mal der Vorhang für das Programm: "positiv dagegen". Mit ihrem politischen Kabarett traten sie den jeweils Regierenden gern einen Schritt zu nah, den aufrechten Gang beherrschten die Theaterleute von Beginn an.

Rasch wurde der WDR auf die Literatenbühne mit ihren hochrangigen Kabarettisten und Autoren aufmerksam. Schon im ersten Fernsehjahr wurden Ausschnitte aus den Programmen gesendet. Zunächst alles live — Aufzeichnungsgeräte gab es erst seit 1960.

Die Höhepunkte aus diesen Fernsehaufzeichnungen der Jahre 1960 ("Spekulationen") bis 1989 ("Solange der Vorrat reicht") sind in der soeben erschienenen DVD-Edition "Das Kom(m)ödchen" zusammengefasst. Die Box enthält sechs DVDs mit einer Gesamtlänge von über 1000 Minuten. Die Aufnahmen sind ein gelungener Streifzug durch fast drei Jahrzehnte Kabarettkultur am Beispiel einer der renommiertesten Bühnen Deutschlands. Sie bilden zugleich die Geschichte der jungen Bundesrepublik, ihrer Repräsentanten und ihrer Widersacher ab. Das politische Klima der damaligen Zeit wird mit Händen greifbar. Doch das Erstaunlichste: Die historischen Programme scheinen noch immer aktuell zu sein, geradezu zeitlos.

So stellten sich 1984 zwei junge Kabarettisten als Spürhunde mit Spezialauftrag vor. Der 27 Jahre alte Harald Schmidt und der sieben Jahre ältere Thomas Freitag brillierten in dem Programm "Da können Sie Gift drauf nehmen". Darin übernehmen sie die lückenlose Überwachung aller Personen, die über einen Zebrastreifen gehen. Sie scannen die Leute, zeichnen deren Gespräche auf, werten sie aus und speichern sie, um staatsfeindlichen Aktivitäten auf die Spur zu kommen.

In "Spekulationen" aus dem Jahr 1960 wirft das Ensemble in dem Sketch "Das Ei des Hippokrates" einen sorgenvollen Blick in die Zukunft des Gesundheitswesens. Im "SBK", dem "Selbstbedienungs-Krankenhaus", wird rabiat abkassiert. Die Patienten müssen zur Kostendämpfung selbst Hand anlegen.

Neben der Prinzipalin Lore Lorentz zählte Ernst H. Hilbich viele Jahre zu den Stützen des Kom(m)ödchens. Er kam 1958 zum Ensemble und gehörte ihm 13 Jahre lang an. Zu seinen in die DVD-Box aufgenommenen Paraderollen zählte der "Briefonkel Pubertus" in "Bürger, schützt eure Anlagen" (1967), der Jugendlichen bei ihren sexuellen Problemen helfen möchte. Oder die Rolle eines Muttersöhnchens aus der Provinz, das in "So dumm kommen wir nie mehr zusammen" (1966) mit dem Studentenleben in Berlin nicht klarkommt. Unerreicht ist seine Parodie auf einen überforderten Fernseh-Moderator in "Prost Wahlzeit" (1965). Der Mann ringt erst um Worte, dann um Fassung. Als er sich in dem Wust aus Zahlen und Statements nicht mehr auskennt, bricht er die Sendung ab und rät den Zuschauern, die Wahlergebnisse am nächsten Morgen in der Tageszeitung nachzulesen.

Von Konrad Adenauer ist der Satz überliefert: "Wat brauch' ich in dat Kommödchen zu jehn, ich hab' heute Fraktionssitzung." Die Glanzpunkte aus der Ära von Kay und Lore Lorentz können es noch immer mit jeder Sitzung aufnehmen.

Ganz nebenbei sind die frühen Schwarz-Weiß-Aufnahmen Zeugnisse geänderter Lebenswirklichkeiten. Damals wurde während der Vorstellungen fleißig geraucht und munter miteinander geplauscht. Bis 1967 wurden die Kom(m)ödchen-Sendungen in WDR-Studios aufgenommen. Die damalige Kleinkunstbühne war für die Fernsehtechnik zu klein.

(RP)
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