Lesung Karosh Taha las aus ihrem Debütroman und sprach über Migration

Düsseldorf · Seit 19 Jahren beschert das Literaturfestival „Literarischer Sommer“ einer Reihe von Städten im deutsch-niederländisch-belgischen Grenzgebiet spannende Autoren-Lesungen. Begonnen hat das kleine Lesefestival in diesem Jahr in Aachen, jetzt war die Zentralbibliothek am Bertha-von-Suttner-Platz Gastgeberin.

In Düsseldorf hatte man sich den Besuch von Karosh Taha gewünscht, einer jungen Autorin mit Migrationshintergrund. Ihr Debüt-Roman „Beschreibung einer Krabbenwanderung“ enthält viel Autobiographisches. Als Neunjährige kam sie mit ihrer Familie aus dem kurdischen Nordirak ins Ruhrgebiet. Schnell eignete sie sich die neue Sprache an, durchlief das deutsche Schulsystem und schloss erfolgreich ein Lehramtsstudium ab. Jetzt unterrichtet sie hauptberuflich an einem Essener Gymnasium, aber ihr Traum war es schon immer, Schriftstellerin zu werden.

Während sie selbst mit ihrem Roman auf einem guten Weg dahin ist, kann man das von der Hauptfigur ihrer Geschichte nicht so ohne Weiteres behaupten. Zwar studiert auch die 22-jährige Sanaa, allerdings leidet sie sehr unter der Enge ihrer Umgebung, insbesondere in der Familie.

Wie ein perfekter Überwachungsstaat funktioniert das Hochhaus, von dessen Balkonen aus die meist kurdischen Bewohner einander beobachten. „Die Älteren sind bei der Ankunft in Deutschland zu weit in ihrem Leben vorangeschritten“, erzählte Karosh Taha im Gespräch mit Maren Jungclaus vom Literaturbüro NRW. „Jetzt wollen sie, dass auch ihre Kinder ihre traditionellen Rollen übernehmen. Für die Mädchen heißt das, als Jungfrau aufwachsen, heiraten, Kinder bekommen und eine Familie bekochen.“

In dem Roman läuft die Sache zumindest für Sanaa ganz anders. Sie lebt ihre eigene Sexualität aus, hat heimlich einen Freund und noch heimlicher einen zweiten Liebhaber. Doch die Realität, vor allem in Gestalt der problembeladenen Eltern und einer misstrauischen Tante, holt sie immer wieder ein.

Die von der Autorin gelesenen Passagen zeigten das Spannungsverhältnis zwischen den Kulturen. Auf den Titel des Romans angesprochen, erklärte sie ein wiederholt auftauchendes Traumbild, eine Krabbe, die Sanaa kneift, wie damals im Irak, als sie im Fluss badete. Gegen Ende nahm das Gespräch in der Bibliothek noch eine neue Wendung. Denn Tarosh Taha rührt mit ihrem Roman auch an manche Tabus in der Migrationsdebatte.

So ging es um die Frage, wie viel individuelle Gewalt und Verfolgung die Flüchtlinge wirklich erlebt haben. Hierzu die 31-jährige Autorin: „Offensichtlich werden Einwanderer nur akzeptiert, wenn sie eine dramatische Geschichte erfinden. Warum auch nicht? Man lügt, um hier anzukommen. Daran finde ich nichts Verwerfliches.“

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