Lesung in Düsseldorf Feier der Literatur mit Olga Tokarczuk

Die Literatur-Nobelpreisträgerin las in der Akademie der Wissenschaften und der Künste.

 Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk (l.) signierte die von ihren Lesern mitgebrachten Bücher.

Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk (l.) signierte die von ihren Lesern mitgebrachten Bücher.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Die Ergebnisse der Wahl in Polen sind am Montagabend noch frisch und dennoch kein Thema gewesen, als die Literatur-Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk zu Gast in der Akademie der Wissenschaften war. Vermutlich, um die anwesenden Vertreter des polnischen diplomatischen Corps nicht zu brüskieren und weil ohnehin jeder weiß, wie sehr der jüngste Erfolg der nationalkonservativen PiS die Schriftstellerin beunruhigt. Ihre Literatur fließt aus dem Willen, sich politisch zu äußern. Die Menschen in ihren Büchern schauen in neue Welten, um sich beständig zu vergewissern, ob dort, wo sie leben, noch Heimat sein kann. Insofern war es ein Glück, dass die geistreiche Moderatorin Olga Mannheimer Tokarczuk keine Analyse der aktuellen Wahlergebnisse abverlangte. Auf diese Weise blieb mehr Zeit für ein Gespräch über „Die Jakobsbücher“. Der knapp 1200 Seiten lange historische Roman ist gerade in deutscher Übersetzung erschienen.

Olga Tokarczuk hatte ihre Lesereise bereits begonnen, als man ihr am 10. Oktober den Literaturnobelpreis, rückwirkend für das Jahr 2018, zusprach. Ihr Besuch in Düsseldorf, den die Buchhandlung Müller und Böhm schon vor einer Weile geplant hatte, musste angesichts des Andrangs kurzfristig vom Heine-Haus in die Akademie der Wissenschaften verlegt werden. Daraus ergab sich unbeabsichtigt eine geeignete Vorbereitung für all diejenigen, denen der Geist, welcher durch Tokarczuks Geschichten weht, noch nicht geflüstert hat, dass allein der Wandel edel ist. Dass man sich unermüdlich auf den Weg machen muss, um Erneuerung zu erwirken. Oder um einer ihrer Abgesandten zu lauschen.

Diesem Antrieb ist auch Jakob Frank gefolgt. Tokarczuk porträtiert ihn in „Die Jakobsbücher“. Frank wirkte während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der polnisch-litauischen Adelsrepublik und über deren Grenzen hinaus. Er galt als Wanderer zwischen den Welten. Verstand sich als Geburtshelfer einer modernen jüdischen Gemeinschaft, deren Selbstbehauptung unter Ausgrenzung, Unterdrückung und Instrumentalisierung begraben lag. Jakob Frank wurde als Jude geboren, verband sich jedoch aus strategischen Gründen mit dem Islam und konvertierte schließlich zum Katholizismus. „Er war ein schöner Mann mit einer schönen Stimme“, sagt Olga Tokarczuk. „Es gab Momente, da habe mich in ihn verliebt.“ Und solche, da sei sie von ihm abgerückt, weil er sich von Machtgier habe leiten lassen. Neben Frank haucht sie weiteren starken Persönlichkeiten Leben ein und beschwört die Mystik, um uns die Inhalte jüdischer Kultur in Mitteleuropa vor Augen zu führen und aufzufächern.

Die Vorbereitung der „Jakobsbücher“ war langwierig. Als Tokarczuk die Struktur ihres Romans entwickelte, schrieb sie zunächst alles auf eine Packpapierrolle. Am Ende waren es 15 Meter, die bloß das Fundament bildeten für eine Geschichte, die mit jeder neuen Wendung die Farbe wechselt. Die Übersetzung aus dem Polnischen dauerte eineinhalb Jahre. „Es war unglaublich schwierig“, sagt Lothar Quinkenstein, einer von zwei Übersetzern. Nie zuvor jedoch sei seine Tätigkeit inspirierender gewesen.

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