Susan Te Kahurangi King bei „Ruttkowski;68“ Im Labyrinth der Ohrwürmer

Die Düsseldorfer Galerie „Ruttkowski;68“ zeigt Arbeiten der autistischen Künstlerin Susan Te Kahurangi King. Zu erleben sind faszinierende Werke, in denen Motive in Endlos-Schleifen variiert werden.

 Susan Te Kahurangi King: Marker auf Papier, 2009.

Susan Te Kahurangi King: Marker auf Papier, 2009.

Foto: Galerie

Nils Müller ist ein umtriebiger Kunsthändler, der in der Graffiti-Szene startete und neben Galerien in Köln und Paris in Düsseldorf sein drittes Standbein hat. Er präsentierte in seiner Pariser Dependance die Düsseldorfer Senkrechtstarterin Carolin Eidner und zeigt jetzt am Grabbeplatz die autistische Künstlerin Susan Te Kahurangi King, eine 72-jährige Australierin, die mit acht Jahren ihre Sprache verlor.

Art Brut ist der gängige Begriff für die Kunst psychotisch kranker Menschen. Der Kurator Harald Szeemann fand 1972 als Generalsekretär der Documenta 5 für eine Kunst mit starken psychologischen und psychotischen Zügen den Begriff „Individuelle Mythologien", als Gegenpol zu rationalen und konzeptionellen Kunstauffassungen. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Wissenschaften von den psychischen Vorgängen des Menschen ebenso wie die medikamentösen Therapien enorm entwickelt. Dadurch sind die Überlebenskämpfe psychisch kranker Künstler moderater geworden. Susan Te Kahurangi King präsentiert in ihren Blättern keine existenzielle Dringlichkeit mehr. Aber in ihren bizarren Endlos-Schleifen und labyrinthischen Häkel-Strukturen zeigt sich ihre Outsider-Kunst.

Im Gegensatz zu den Patienten früherer Epochen wuchs sie nicht isoliert in einer restriktiven Heilanstalt auf, sondern inmitten einer Schar von elf Geschwistern. Ihre Familie fing sie auf, war überzeugt von ihrem künstlerischen Schaffen, sammelte, datierte, kommentierte und katalogisierte ihr Werk. Jeder Schnipsel ihrer Äußerungen wurde seit ihrer Jugend aufbewahrt. Vor allem ihre Schwester Petita Cole glaubte auch dann noch an sie, als sie ab 1992 das Zeichnen vollständig hinter sich ließ und erst 2008 den Bleistift abermals zur Hand nahm.

Das war der Beginn ihrer Karriere, denn 2009 wurde sie vom Kurator Peter Fay entdeckt und in Sidney ausgestellt. Daraufhin machte der Dokumentarfilmer Dan Salmon einen Film über sie und ihr Leben. 2013 waren ihre Arbeiten auf der renommierten Pariser Outsider Art Fair zu sehen. Seit 2014 wird sie in Neuseeland gefeiert, seit 2015 in den Vereinigten Staaten. Sie wird im Museum of Modern Art wie im American Folk Art Museum in New York gesammelt.

Seitdem produziert sie in Feder, Buntstift, Tinte und Graphit und führt ihre berühmten Konturlinien zu skurrilen, fantasievollen Groteskgestalten und farbenfrohen, organisch-abstrakten Formen. Anfangs klingen Comicfiguren wie Donald Duck an, die sich im Entengang ineinander verknäueln. Immer mehr gewinnen ausufernde Muster an Terrain und fügen sich zu abstrakten Landschaften. Helikopter zischen über vielfältige Häkeleien. Kopffüßler mit roten Schuhen, Bein- und Armmenschen schlingern durch die Gegend. Kringel und Kräuselungen bahnen sich ihre Wege. Ohrwürmer mutieren zu Minaretten, Fiedelbögen enden in einem Halbmond, Inseln in einem Augapfel. Ein Geschlinge öffnet ein riesiges Maul, während Badekappen-Mädchen mit langen Beinen und Armen, aber wenig Körper tänzelnde Bewegungen ausführen. Böse Zungen schnellen aus Fratzenköpfen, rennen und purzeln. Letztlich kann sich alles mit allem verbinden, während die Palette bunter und die Lineamente raffinierter werden.

Info Die Ausstellung läuft bis zum 9. Oktober bei „Ruttkowski;68“ am Grabbeplatz 2. Öffnungszeiten. Do. bis So. 11 bis 19 Uhr.

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