Düsseldorf Künstlerische Werkstatt statt Geldmaschine

Düsseldorf · Das "Theater an der Kö" geht in seine Jubiläumsspielzeit. René Heinersdorff fühlt sich trotz Existenzrisiko heimisch am Boulevardtheater.

 Autor, Intendant und Schauspieler: René Heinersdorff.

Autor, Intendant und Schauspieler: René Heinersdorff.

Foto: Andreas Bretz

Er weiß noch genau, wie reizvoll er den Gedanken fand, sein eigenes Theater zu gründen. Damals, vor 20 Jahren. Heute meint René Heinersdorff, es sei mehr Leichtsinn als Mut gewesen. Das kann man auch positiv sehen. "Leichten Sinnes" zu sein, ist für einen Komödianten sicher kein Nachteil. Die günstige Lage des "Theaters an der Kö" in den 1994 eröffneten Schadow Arkaden erwies sich als Glücksfall. "Unsere Besucher beleben in den Abendstunden den Einzelhandel", sagt er. "Wir profitieren davon, dass Flanierer auf unsere Stücke aufmerksam werden. Eine schöne Wechselwirkung."

Der junge Schauspieler wusste sehr genau, welch schweren Brocken er sich mit dem "Theater an der Kö" aufgehalst hatte. "Durch meine Mutter war ich früh in die Leitung der Boulevard-Theater in Köln und München eingebunden", erzählt er. "Es wurde wahnwitzig schwer, ein spannendes Programm aufzustellen. Der angelsächsische Markt schrumpfte dramatisch zusammen. Eine Woche nach London zu fahren und mit Inspirationen für zwei Spielzeiten zurückzukommen, war vorbei." Noch fehlten Autoren wie Lutz Hübner, Stefan Vögel, Moritz Rinke und René Heinersdorff.

Bei seiner Bilanz zum 20. Geburtstag räumt der 50-Jährige schwierige Phasen ein. "Ich fragte mich, ob das mein Lebenskonzept war. Bei all dem Risiko, dem Arbeitspensum, der Belastung und der Gefährdung der eigenen Existenz. Als Geschäftsführer habe ich mir nie ein Gehalt ausbezahlt. Ich verdiene daran, dass wir Produktionen und Stücke verkaufen. Dieses Theater ist meine künstlerische Werkstatt, aber keine Geldmaschine."

Mit dem Spielplan versucht er im schmalen Genre Boulevard die Grenzen zu erweitern. Die Mischung müsse abwechslungsreich und bekömmlich sein: "Ein Schwank, der richtig reinhaut, etwas Literarisches, ein Konversationsstück, eine Farce."

Was lernte er aus Flops? "Nichts", antwortet Heinersdorff. "Ein Flop ist nicht berechenbar. Ich habe einige fabriziert, aber nie aus Nachlässigkeit." Schon eher aus Lust am Experiment, etwa bei den ungewohnten Erzählformen in "Film ab". Dem gegenüber stehen solide Erfolge. Stücke wie "Sei lieb zu meiner Frau", die durch Deutschland touren. Zu seiner Autoren-Karriere wurde er quasi genötigt. Wollten Komödianten wie Jürgen von der Lippe bei ihm spielen und mangelte es am Stück, schrieb er es selber.

Mit der Kulturpolitik in Düsseldorf, "dieser wunderschönen Provinzstadt", setzt er sich kritisch auseinander. "Warum fließen Subventionen nur, wenn ein Haus von der Schließung bedroht ist? Es müsste umgekehrt sein", fordert Heinersdorff. "Bühnen, die aus eigener Kraft ordentlich segeln, sollten belohnt werden." Auf seine Mitarbeiter sei er sehr stolz.

Der Schauspieler, Regisseur und Autor gilt als extrem gut vernetzt. Die "Süddeutsche Zeitung" kürte ihn gar zum "Paten des Boulevard." Das war ihm ein bisschen peinlich, wenn auch nicht unlieb. Unbestritten übt er eine Führungsrolle unter den Dinosauriern des Privattheaters aus. "Aber erst, seitdem ich zu dem stehe, was ich mache", sagt er mit Nachdruck. "Ich habe spät begriffen, dass ich im Grunde meines Herzens ein Boulevardier bin. Theater ist nicht gleich Theater. Unser Genre unterscheidet sich nicht nur durchs verlässliche Happyend. Es erfordert eine eigene Sprache, besondere Fähigkeiten beim Spielen und Inszenieren. Und ein Gespür für eine gewisse Eleganz."

(RP)
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