Düsseldorf Kritiker auf der Bühne: Stimme statt Stift

Düsseldorf · Wir hatten ja nichts: Der Fernseh- und Musikkritiker Hans Hoff wagt sich aus der Deckung. Jetzt singt und erzählt er mit dem Liedermacher Heinz Küppers von der Musik seiner Jugend und dem Nachteil der Langspielplatte für die Liebe.

Mancher, der in den vergangenen 40 Jahren beruflich mit Hans Hoff zu tun hatte, würde ihn sicher gern mal der Länge nach auf die Nase fallen sehen. Das liegt daran, dass der Fernseh- und Musikkritiker sich selten leise ärgert, sondern seinem professionellen Leiden meist ebenso wortmächtig wie einprägsam Luft macht. Sei es, dass er Campino auf der "Wetten, dass...?"-Couch einen domestizierten Punk ("Ihn verbindet inzwischen viel mehr mit einem wie Lanz als mit jedem Punk") oder Stefan Raab den Diktator der ARD ("Wann treten Sie zurück, Herr Mubaraab?") nennt.

Nun tut Hoff das Unvorsichtigste, das ein Kritiker tun kann. Er geht selbst dorthin, wo man sich schlechte Kritiken einfangen kann: auf die Bühne. Nicht etwa, um die besten oder gemeinsten (was bei ihm meist das gleiche ist) seiner Texte vorzulesen. Diesen Part übernimmt sein Partner, der Nideggener Liedermacher Heinz Küppers. Hoff kommt zum Singen. Ist das nicht etwas leichtsinnig? "Es gibt mit Sicherheit jede Menge Leute, die besser singen als ich. Aber keiner hat mehr Spaß als ich", sagt Hoff.

Das Duo nennt sich nach einem Beatles-Song "Fools On A Hill" (Deutsch: Narren auf einem Hügel), und der erste Eindruck ist, dass der Name völlig zurecht gewählt wurde. Anhand von Songs erzählen die beiden Jugendgeschichten, die in den 60er Jahren beginnen. Um daran keinen Zweifel zu lassen: Es hätte deutlich mehr Würde, die beiden reiferen Herren würden sich friedlich an der Theke betrinken. Nur wäre das nicht halb so unterhaltsam – zumindest für ein Publikum, dass selbst in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufgewachsen ist. "In Sachen Musik können wir für uns den Spruch der Kriegsgeneration reklamieren: Wir hatten ja nichts. Das Radio spielte die Lieder nicht. Es gab kein Internet. Man musste sich entweder für 4,95 Mark eine Schallplatte kaufen oder zu den Konzerten gehen", sagt der 58-jährige Hoff.

Und eigentlich sei er erst über die Musik in den Journalismus "abgerutscht". Die Platten, die er besprach, durfte er behalten. Die erste war zwar nur das verzichtbare Album "Silent Letter" von America (1979), aber das reichte für den studierten Sozialpädagogen als Motivation, um regelmäßig für das Magazin "Sounds" zu schreiben, seinen Jugendzentrums-Job an den Nagel zu hängen und den Beruf irgendwann richtig zu lernen.

Seine Kritiken waren teils gefürchtet, weil sie (brillant geschrieben) vor allem zutrafen. Meist zumindest, hin und wieder lag er mit seiner Einschätzung aber auch spektakulär daneben. Nach einem Police-Konzert in Irland bescheinigte er der Vorgruppe, aus ihr werde wohl nichts werden (es handelte sich um U2), beim sechsten Album eines früheren Kinderstars fand er die Besprechung überflüssig (1982, Thriller, Michael Jackson). Im Anschluss an sein Volontariat war Hans Hoff von 1990 bis 1999 Medienredakteur der Rheinischen Post in Düsseldorf, seitdem arbeitet er als freier Journalist und ist als TV-Kritiker längst eine eigene Marke. Aber daneben blieb immer die Musik. Und seit einigen Jahren füllt er damit kleine Kneipen.

"Ich weiß, was ich mit meiner Stimme machen kann. Die ist kräftig und druckvoll, ich komme hoch. Wer besser singt als ich, der wird dafür bezahlt", sagt Hoff. Was er nicht gut kann, ist Vorlesen. Deshalb hat er die Texte des Programms zwar geschrieben, überlässt den Vortrag aber Heinz Küppers, was wirklich eine kluge Entscheidung ist.

Die Texte zwischen den Songs handeln von ersten Küssen, ersten Zigaretten, überhaupt allen erdenklichen ersten Malen. Wie zum Beispiel dem Nachteil der Langspielplatten für die jugendliche Entdeckung des anderen Geschlechts. Hoff: "Da dauerte eine Seite ja nur 15 Minuten, dann musste man die umdrehen. Da konnte man dann wieder von vorne anfangen."

Während die Musik-Helden von einst langsam abtreten, singen die Hörer von einst den Beat ihrer Jugendzeit einfach weiter. "Wir sind die Generation, die demnächst den Musikantenstadl aus den Altersheimen vertreiben wird", sagt Hoff. Bis es soweit ist, füllt er noch ein paar Kneipen mit dem Programm.

(RP)
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