Gregor Jansen "Kopflastigkeit ist für mich Qualität"

Düsseldorf · Der Direktor der Kunsthalle Düsseldorf über Perspektiven und Kritik an seinem Programm anlässlich des 50. Geburtstags des Museums.

 Gregor Jansen, Direktor der Kunsthalle Düsseldorf.

Gregor Jansen, Direktor der Kunsthalle Düsseldorf.

Foto: Katja Illner

Die Kunsthalle wird 50 - wie groß fiel die Geburtstagstorte aus?

Jansen Der Geburtstag meint ja das Haus. Insofern ist die Torte nicht zwingend. Wichtig ist die Wahrnehmung des Platzhaltens, des Ortes und der kantigen Architektur. Noch wichtiger als eine Geburtstagstorte ist: dass die Stadt die Autonomie des Hauses bekräftigt hat.

Sie hatten Sondermittel in Höhe von 150.000 Euro beantragt, ein Drittel hat man Ihnen nur gegeben. Wie soll man damit vier Jubiläumsausstellungen bestreiten?

Jansen Unser Wunsch, das Archiv zu digitalisieren, war jetzt nicht zu realisieren. Die Ausstellungen können wir dank weiterer Förderer gut machen mit den 60.000 Euro, die die Stadt uns zur Verfügung gestellt hat.

Es ertönt Kritik aus der Künstlerschaft, dass Sie im Jubiläumsjahr vor allem zurückschauen, die aktuellen Entwicklungen seit den 1980er Jahren indes nicht berücksichtigen.

Jansen Die Kritik nehme ich gerne an, obwohl die 1980er auch eine Rückschau wären. Zum 50. schauen wir zweimal auf die sehr spannende Phase seit 1967 bis 1980, institutionell und künstlerisch. Damals ist die neue Kunsthalle groß geworden. Diese wichtige Zeit bedarf der permanenten Neubetrachtung.

Die Düsseldorfer Künstler wollen sich mit dem Ausstellungshaus identifizieren. Was tun Sie für sie?

Jansen Diese Forderungen, dass einer zu kurz kommt, höre ich, seitdem ich die Kunsthalle kenne. Wir wollen Entdeckungen, eben eine permanente Neubetrachtung. Die Kunsthalle ist ein lokal verankertes, der Bauchnabelschau, aber auch der Internationalität verpflichtetes Ausstellungshaus.

Vielleicht haben Sie die falschen Künstler gezeigt?

Jansen Meine allererste Ausstellung war 2010 Hans-Peter Feldmann, dann Ausstellungen mit Kriwet, Tal R, Tomma Abts, Thomas Ruff, Rita McBride, oder mit Ralf Berger, Bianca Grüger, Heinz Hausmann, Aron Mehzion, Reinhard Mucha, Tony Cragg, Imi Knoebel, aktuell Emil Schult, Katharina Sieverding und viele andere - alles Künstler, die hier in Düsseldorf leben oder arbeiten.

Manches kommt eben zu kurz . . .

Jansen Man muss Kunsthalle und KIT (Kunst im Tunnel) mit ihren Aufträgen zusammen sehen, die Häuser ergänzen sich international und lokal. Es sind die lokalen Künstler, die uns auch am stärksten die Treue halten und die Identifikation mit dem Haus fordern und suchen.

Manchmal sind Ihre Ausstellungen zu kopflastig. Man versteht Titel und Texte nicht und verliert dann schon die Lust hinzugehen.

Jansen Permanent werden mir Marketingkonzepte angeboten, wie man effektiver und publikumswirksamer arbeiten könnte. Ich bin hingegen der Meinung, dass die Titel und Texte exakt auf dem Qualitätsniveau sind, das dem Haus gut steht.

Ihr Qualitätsniveau heißt?

Jansen Dass wir Leute animieren wollen, Dinge unter einem Anspruch wahrzunehmen, der vergleichbar beim Essen nicht Fast Food, sondern Slowfood entspricht.

Slowfood in der Kunst?

Jansen Wir produzieren keine Häppchen, sondern Nachhaltiges und Intellektuelles, das anregt, über Kultur, Gesellschaft und eigene wie fremde Identität nachzudenken.

Dabei ist das Wichtigste?

Jansen Kopflastigkeit ist für mich eine Qualität, aber auch das Bauchgefühl. Zusammengenommen geht es mir immer um Sinnlichkeit.

Sie haben die Kunsthalle einmal Task Force genannt - welche Einsätze sind von Erfolgen gekrönt?

Jansen Die Dinge und Verhältnisse immer wieder neu zu denken, die Kunsthalle aus dem Fahrtwind zu nehmen. Das bedeutet, keinem Trend hinterherzuhecheln. Dass wir auch nicht einer Mode oder dem Jargon das Wort reden oder der Kurzlebigkeit von Tendenzen gehorchen. Wir möchten etwas unternehmen, was unerwartet ist, das Unangepasste in den Vordergrund stellt und das Scheitern nicht ausschließt.

Woran merkt man das?

Jansen An bekannten wie neuen Namen, den interdisziplinären Programmen mit Theater und Performance, an Kooperationen. Es gibt den Wunsch, diese Institution selber immer wieder als eine sich in Frage stellende darzustellen, die sich kritisch mit sich selbst auseinandersetzt.

Das kann die Kunsthalle nur, weil sie kein Museum und keine Privatsammlung ist.

Jansen Genau. Wir möchten hier Reibung erzeugen, keine Glättung. Wir sind keine Friedenstruppe, sondern ein produktiver Reibungs-Energieerzeuger.

Wie viele Menschen ziehen Sie damit in Ihr Haus?

Jansen 50.000 haben wir im Jahr.

Könnte das besser sein?

Jansen Immer. Aber es ist eine ehrliche Zahl. Ich merke, dass unsere Ausstellungen national, aber auch international in Kunstkreisen wahrgenommen werden. Die Qualität der Besucher ist mir auch wichtig, beinahe wichtiger als die pure Quantität.

Das klingt arrogant.

Jansen Die Anerkennung des Ortes aufgrund seiner Geschichte und seines Energiespeichers muss hochgehalten werden. In den 60er und 70er Jahren war die Kunsthalle eines der wegweisenden Institute überhaupt. Davon profitiere ich bis heute. Der Ruf ist immer noch sehr gut. Wir sind nicht das zugkräftigste Haus, aber von der Reputation her stehen wir sehr gut da.

Der Plan, die Kunsthalle unter die Regie des Museums Kunstpalast zu geben, ist vom Tisch, worüber Sie erleichtert sein dürften. Wäre es angesichts des schmalen Budgets, das Sie haben, nicht doch besser, Sie würden im großen Verbund mit einem neuen Generaldirektor arbeiten?

Jansen Nein. Das passt nicht von den Formaten her. Der Fehler wäre, dass man ein Museum mit der Kunsthalle gleichstellen würde.

Aber Sie hätten mehr Geld.

Jansen Das halte ich für ein Gerücht.

In Düsseldorf ist gerade viel los, aus Frankfurt kommen zwei renommierte Direktoren an die landeseigene NRW-Kunstsammlung und an das städtische Museum Kunstpalast. Die Stadt hat Ihnen die Autonomie bestätigt, selbst im Keramikmuseum ist eine neue Direktorin berufen. Das schreit doch nach einem Zusammenschluss des Führungspersonals.

Jansen Ja, da liegt ein hohes Potenzial. Wenn wir Direktoren uns regelmäßig treffen, könnten wir Konzentrationen herstellen und Vielfalt.

Woraus sich ein Marketingkonzept wie von selbst schriebe . . .

Jansen Ja, das wäre mein Wunsch. Dass wir uns abstimmen und unsere Themen im Sinne der Qualität koordinieren. Man konnte ja sehen, was beim Grand Départ möglich war.

Sie wollen der Stadt auf die Sprünge helfen?

jansen Die Stadt tut einiges, aber nicht genug. Der Sammler Christian Boros sagt: Das Tolle an Düsseldorf ist, dass die Qualität der Kunst immer Weltspitze ist.

Das Erschreckende ist, dass die Marketingexperten dieses Potenzial nicht ausschöpfen. Die Gefahr in dieser Stadt ist, dass man sich vor allem auf den Sport einschießt.

Jansen Damit bleibt weniger für Kultur. Die Stadt genießt weit über die Grenzen hinaus das Klischee des hohen Kulturanspruchs. Und das zu Recht. Das ist pures Kapital. Wenn das Niveau heruntergefahren wird, stimmt etwas nicht mehr.

ANNETTE BOSETTI FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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