Jahreswechsel im Kommödchen Silvesterkracher im Live-Stream

Mit seiner Silvester-Show im Netz, moderiert von Christian Ehring, erreichte das „Kom(m)ödchen" 2500 Zuschauer. Ein gelungenes Experiment, das viel Spaß bereitete und Vorfreude weckte auf die Zeit, wenn Theater-Atmosphäre wieder hautnah erlebbar sein wird.

 Daniel Graf und Maike Kühl als Claudia Roth beim der Silvestershow im Netz.

Daniel Graf und Maike Kühl als Claudia Roth beim der Silvestershow im Netz.

Foto: Goldlücke

„Sind Sie schon da?", fragt Martin Maier-Bode mit erwartungsvollem Blick in die Kamera. Antworten kann ihm keiner, denn das Publikum sitzt zu Hause am Bildschirm. In einer derart großen Zahl, dass "Kom(m)ödchen"-Chef Kay Lorentz ganz aus dem Häuschen war. Am Tag vor der live gestreamten Silvester-Show aus seinem Theater hatten 2500 Zuschauer einen Online-Zugang gebucht, für den Preis einer üblichen Karte. Sie alle wollten dabei sein, als es am frühen Silvesterabend hieß: „Das Jahr 2020 festlich abmoderiert vom Kom(m)ödchen-Ensemble und Christian Ehring." Es werden die wenigsten ganz alleine zugeguckt haben, was die Menge des Publikums umso beeindruckender erscheinen lässt. Damit hätte man die 200 Plätze der Kabarettbühne viele Male füllen können.

Das Experiment dieser Premiere war also bereits im Vorfeld geglückt.

Und die Show an sich? „Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Satireformate", sagte Maike Kühl zu Beginn. Es sei aufregend, aber sie vermisse das Publikum schon jetzt. Nimmt man die Bilanz vorweg, gilt das umgekehrt genau so. Gewiss, die Vorführung ging live über die Bühne, ein seltenes kulturelles Highlight mitten im Lockdown. Und ja, sie machte Spaß. Doch während dieser einen Stunde, über die man sich von Herzen freuen konnte, wuchs auch die Sehnsucht nach einem unmittelbaren Erleben. Trotz aller Spiellust fehlten die prickelnde Atmosphäre im Theater, die unmittelbare Reaktion der Zuschauer und damit auch das Beflügeln der Akteure. Das müssen sie selber ein wenig gespürt haben. Deshalb klang Christian Ehrings sehnsuchtsvoller Abgesang „Wenn Corona vorbei ist" auch so bittersüß.

Mit ihm kehrte „der verlorene Sohn" ans „Kom(m)ödchen" zurück. Keine Sekunde hatte er gezögert, bei dieser besonderen Silvester-Show dabei zu sein. Das Ensemble zeigte zumeist Szenen aus vorherigen Programmen. Christian Ehring übernahm als Moderator den neu ergänzten Part und spießte im eleganten Smoking diverse Corona-Befindlichkeiten auf.

Sätze, die man vor zwölf Monaten noch nicht verstanden hätte: „Gehst du zur Bank, nimm deine Maske mit", oder, ganz abstrus: „Markus Söder, den könnt ich mir als Kanzler vorstellen." Weihnachten stand eine Entscheidung an: „Feiere ich mit meinen Liebsten, oder kommt die Familie?"

Mit der ihm eigenen Ironie flitzte der Kabarettist durch Themen wie Home Schooling, Krisen-Gewinnler, Gänsehaut-Momente bei Trumps Abwahl, entlarvte nach Grundrechten schreiende Impfgegner: „Immer weniger Gründe, immer mehr Rechte." Und wer wird CDU-Chef? Merz, der Yesterday Man (“zack, bimm, Zeitreise, so wie die Strickjacke von Helmut Kohl"), Röttgen, der West Man oder Laschet, der King Man mit Abstammung von Karl dem Großen?

Zwischen Ehrings Häppchen trumpfte das Ensemble mit beliebten Sketchen auf. Maike Kühl mit dem ekstatischen „Harbeckluja" auf ihren grünen Helden Robert, Heiko Seidel mit seinem perfide dressierten Polizeihund Hasso oder als Queen, die ihr Land verlässt und als Schützenkönigin in Neuss eine neue Heimat findet. Entlassen aus der unterhaltsamen Show wurde man mit dem Rat, das Corona-Jahr wie eine Wurzelbehandlung zu betrachten: „Am schönsten ist es, wenn es vorbei ist." Und wenn das „Kom(m)ödchen" wieder seine Türen öffnen darf.

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