Klimaaktivistin muss „Düsseldorfer Reden“ absagen Luisa Neubauer - radikal und rational

Düsseldorf · Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer muss ihren Auftritt bei den „Düsseldorfer Reden“ krankheitsbedingt absagen. Dabei hat die Aktivistin viel zu sagen.

 Luisa Neubauer kommt zu den „Düsseldorfer Reden“.

Luisa Neubauer kommt zu den „Düsseldorfer Reden“.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Die angekündigte Düsseldorfer Rede von Luisa Neubauer am Sonntag, 19. Juni, um 11 Uhr im Schauspielhaus muss krankheitsbedingt abgesagt werden. Das teilt das Schauspielhaus auf seiner Homepage mit. Neubauer bedauere die Absage sehr. Man bemühe sich aber, einen Ausweichtermin zu finden. Dieser würde voraussichtlich im Herbst 2022 nachgeholt werden. Wer bereits Tickets für diese Veranstaltung gekauft hat, wird vom Schauspielhaus per Mail informiert.

Eigentlich, schreibt Luisa Neubauer in ihrem Buch „Vom Ende der Klimakrise“, habe sie nie vorgehabt, Vollzeit-Klimaaktivistin zu werden. Zwar ist die heute 26-Jährige schon als Schülerin im Umwelt- und Klimaschutz aktiv gewesen, bei Umweltverbänden habe sie sich lange aber nicht zu Hause und auf Demos nicht besonders wohl gefühlt: „Bei meinem ersten Streik bin ich kilometerweit aus meiner Komfortzone herausgetreten“, gesteht sie.

Inzwischen dürfte Neubauer, 1996 in Hamburg geboren, an dieses Gefühl gewöhnt sein. Spätestens seit sie 2018 die ersten deutschen Klimastreiks für „Fridays for Future“ organisiert hat, dreht sich ihr Leben um die Klimakrise, wurde sie Hunderte Male gezwungen, ihre Komfortzone zu verlassen, Neuland zu betreten. Einfach, weil es nötig ist.

Ein Schlüsselmoment, so erzählte es die Klimaaktivistin im vergangenen Jahr in der „NDR Talk Show“, sei der Weltklimagipfel 2018 im polnischen Kattowitz gewesen, bei der bereits klar war, dass die Weltgemeinschaft ihr drei Jahre vorher beschlossenes Ziel, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen, verfehlen würde. Neubauer nahm damals als Jugenddelegierte der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen an dem Gipfel teil. „Ich war dort, weil ich sehen wollte, wie es aussieht, wenn Menschen die Welt retten“, erzählt Neubauer. Zurück blieb das Gefühl: „Irgendjemand muss da doch was machen.“ Und die Erkenntnis: „Vielleicht bin ich gerade irgendwer.“

Dass sie inzwischen längst nicht mehr nur irgendwer ist, auch längst viel mehr als nur das „deutsche Gesicht von ,Fridays von Future‘“, wie sie gerne oft genannt wird, sondern eine der bekanntesten Klimaaktivistinnen der Welt, dient der Sache. Da kann Neubauer noch so oft betonen, sie sei nur ein kleiner Teil einer globalen Bewegung. Andererseits weiß sie, dass globale Bewegungen Gesichter brauchen, Identifikationsfiguren, Führungspersonen. Und manchmal sind die am besten für den Job geeignet, die ihn am wenigsten anstreben.

Die Schattenseiten, die das Leben unter dem Brennglas der Öffentlichkeit bereithält, hat Neubauer inzwischen auch gut kennengelernt. Mehr als einmal fand sie sich im Auge eines Shitstorms wieder, der oft aus dem rechtskonservativen Lager befeuert wurde. Dass sie nicht vor drastischen Worten zurückschreckt, wenn es um den Klimaschutz geht, macht es nicht einfacher.

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Foto: Marc Ingel

Gerade erst sorgte eine Instagram-Story der Aktivistin für Irritation, die Kritiker als Ankündigung der Klimaschützer verstehen wollten, eine Öl-Pipeline in die Luft zu jagen. Was war geschehen? In einem Video, das sich mit dem Kampf gegen den Bau der East African Crude Oil Pipeline (EACOP) beschäftigt, hatte Neubauer auf den Titel des Buches „How to Blow Up a Pipeline“ des schwedischen Umweltaktivisten Andreas Malm angespielt.

Ungeachtet der Tatsache, dass es die umstrittene Pipeline noch gar nicht gibt, muss sich Neubauer nun den Vorwurf gefallen lassen, unter die Öko-Terroristen gegangen zu sein. Da half es wenig, dass sie nur wenig später auf ihrem Twitter-Profil den Hintergrund der Aufregung erklärte und außerdem betonte, „Fridays for Future“ habe sich selbstverständlich dem friedlichen Aktivismus verschrieben.

Es ist erstaunlich und auch wieder nicht, wie sehr Neubauer dennoch immer wieder polarisiert. Denn eigentlich sprechen die Fakten ja für sich, selbst Wirtschaft und Industrie haben längst eingesehen: So kann es nicht weitergehen. Und streng genommen tun Neubauer und die Klimabewegung nur das: Sie fordern, was schon längst versprochen war.

Fotos: Greta Thunberg und Luisa Neubauer besuchen Angela Merkel
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Greta Thunberg und Luisa Neubauer besuchen Angela Merkel

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Foto: dpa/Steffen Kugler

Zur Not auch vor Gericht: Im April vergangenen Jahres urteilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe nach einer Klage von „Fridays for Future“, das deutsche Klimagesetz sei zum Teil verfassungswidrig. Ein Teilerfolg war das und zugleich nur ein Tropfen auf den immer heißer werdenden Stein.

Natürlich geht es Neubauer auch um ihre Generation, die sogenannte Jugend, zu der sie selbst immer noch gezählt wird, und die ja gleich doppelt gekniffen ist. Denn nicht nur wird diese Generation am heftigsten unter der heraufziehenden Klimakatastrophe leiden – sie kann auch auf politischer Ebene am wenigsten dagegen tun. Was sie tun kann, ist protestieren – und tut sie es, wird ihr sogleich vorgeworfen, radikal zu sein. Radikalität, die dann wiederum von jungen Menschen verlangt wird; nicht nur beim Klima, sondern auch anlässlich des Krieges und beim Pflegenotstand und überhaupt bei allem, was im Argen liegt auf der Welt.

Gleichzeitig ist das mit der Jugend ein Trugschluss, geht es doch um die Menschheit als Ganzes. Nichts anderes meinte Neubauers Verbündete, „Fridays for Future“-Initiatorin Greta Thunberg, mit ihrem inzwischen legendären Satz: „Our house is on fire“. Ein Haus, in dem wir alle wohnen, und das zu verbrennen droht. Es ist nur noch eine Frage, welche Stockwerke es zuerst trifft. „Wir machen doch keinen Klimaschutz, damit ein paar Kinder glücklich sind“, sagt Neubauer dazu. Sie kennt ihn sehr gut, den Unterschied zwischen Rationalismus und Radikalismus, und sie weiß auch, wann das eine das andere erfordert.

„Lösungen allein haben keine Macht“, sagte Neubauer in ihrer Rede bei der Digitalkonferenz Republica vergangene Woche in Berlin: „Sie müssen mächtig gemacht werden. Es liegt an uns, zu blockieren, was zerstört und aufzubauen, was schützt.“

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