Düsseldorf Junges Haus reist zu den wilden Kerlen

Düsseldorf · Die Kindheit ist keine heile Zeit. Man muss nur eine halbe Stunde an einem Spielplatzrand verbringen, um das zu spüren. Kinder ringen ständig mit Misslingen, sie müssen sich behaupten, mit Freunden und Geschwistern streiten, bis die Tränen laufen, und wenn sie abends müdegespielt im Bett liegen, kriechen die Ängste hinter dem Vorhang hervor.

Max ist acht. Und er ist ein böser Wolf - zur Zeit ist das sein Lieblingsspiel. Doch davon will der Rest der Familie nichts wissen. Die ältere Schwester findet ihn nur lästig, und seine Mutter schickt ihn ohne Abendessen ins Bett, als er sich wieder einmal schlecht benommen hat. Also bricht Max auf in die Welt, in der nur seine Regeln gelten: Er segelt in seine Fantasie, wo er Wolf sein darf oder König, wenn er es will. Doch heil ist auch diese Welt nicht. Im fantastischen Reich des Jungen wohnen die wilden Kerle, schrullige, zottelige Monster, und die wollen ihn fressen. Man muss schon Wolf und König sein, um sich diese Viecher zu Freunden zu machen.

Davon erzählte der amerikanische Zeichner Maurice Sendak 1963 in seinem Bilderbuch "Wo die wilden Kerle wohnen" mit wenig Worten und starken düsteren Zeichnungen. Und weil Kinder so genau spüren, wenn einer es ehrlich mit ihnen meint, lieben sie dieses Buch, das ihre Ängste und ihr Scheitern ernst nimmt und ihnen alle falsche Süßlichkeit erspart.

Diese Art der Aufrichtigkeit mag den neuen Leiter des Jungen Schauspielhauses, Christof Seeger-Zurmühlen, bewogen haben, die Spielzeit an seinem Haus mit einer Bühnenfassung der Reise zu den wilden Kerlen zu eröffnen. Der aus Cottbus stammende Regisseur Ronny Jakubaschk macht daraus ein lautes Abenteuer mit eigenwilligen Monstern, die wunderbar dickbäuchig, aber nicht immer liebenswert sind. Es gibt Schneeballschlachten, Krach-Wettbewerbe und eine Parade mit Max als Monsterkönig an der Spitze. Es geschieht also viel auf der Bühne, doch sind alle Episoden ähnlich aufgebaut, so dass die Inszenierung trotz aller Bewegung und der liebevoll gestalteten Kostüme wenig abwechslungsreich ist. Immer wieder gerät Max in Konflikte, seine Ideen, der Langeweile zu begegnen, enden meist nicht friedlich; ein weiser König ist der Junge nicht. Das ist ehrlich und lehrreich, doch wirkt dieses Stück selten unbeschwert. Als Max endlich heim will zur Mutter, verlässt er kein glitzerndes Zauberreich, er ist auch nicht zum Helden gereift, nur erschöpft von allen seinen Schlachten.

Schön ist, dass die Zuschauer in diesem Stück gleich sechs der zehn neuen Schauspieler am Jungen Schauspielhaus kennenlernen können. Die spielen bereits mit großer Vertrautheit und lassen einander den Raum, den sie brauchen, um jedes Monster zu einer Persönlichkeit werden zu lassen. Bernhard Schmidt-Hackenberg schlüpft ohne Kindsköpfigkeit in die Rolle des Jungen Max. Es macht Freude, diesen Darstellern zuzusehen und neugierig darauf, wie sie sich demnächst in Rollen mit weniger Zottelfell behaupten werden.

(RP)
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