Ein Restaurator ist ein schweigsamer Mensch, der in Kirchen hinter Planen arbeitet und beschädigte Kunstschätze wieder heil macht. Oder?
Joanna Phillips von Restaurierungszentrum Düsseldorf „Wir kommen dem Werk extrem nahe“
Die neue Leiterin des Restaurierungszentrums über ihre Zeit am New Yorker Guggenheim-Museum und ihre Pläne für Düsseldorf.
Mit 18 Jahren las Joanna Phillips einen Bericht über die Restaurierung von Rembrandts „Der Mann mit dem Goldhelm“. Sie war fasziniert und studierte Gemälderestaurierung an der Hochschule der Bildenden Künste Dresden. Sie ging nach Bern, dann nach New York, wo sie am Guggenheim-Museum das Institut zur Erforschung und Wahrung der Medienkunst aufbaute und etablierte. Nach mehr als zehn Jahren in den USA ist sie jetzt nach Europa zurückgekehrt und hat die Leitung des Restaurierungszentrums der Landeshauptstadt übernommen. Dort hat die 44-Jährige viel vor.
Phillips Das ist ein veraltetes Klischee, das sich vor allem in Europa gehalten hat. Hier wird der Restaurator noch vielerorts als Handwerker angesehen, obwohl die wissenschaftliche Arbeit seit Jahrzehnten einen großen Teil unseres Berufs ausmacht. Als Kunsttechnologen erforschen wir, wie Kunstwerke entstanden sind, wann und durch wen, ob sie echt sind und wie sie erhalten werden können.
Am Guggenheim-Museum haben Sie sich der Medienkunst gewidmet. Was ist so reizvoll an Düsseldorf, dass Sie dafür Ihre spannende Aufgabe in New York aufgegeben haben?
Phillips Meine Arbeit am Restaurierungszentrum. Als Arbeitsort ist das Institut einmalig und hat ein riesiges Entwicklungspotenzial. Hier arbeiten Restauratoren verschiedenster Disziplinen in engem Austausch miteinander – Gemälde, Holz, moderne Materialien, Glas, Keramik, Papier, Foto, angewandte und zeitgenössische Kunst. Mein Spezialgebiet Medienkunst möchte ich noch zusätzlich ans Haus bringen. Ich bin seit 25 Jahren in der Restaurierung tätig und habe die erste Hälfte dieser Zeit in der alten und die zweite in der neuen Kunst verbracht. Mich hat immer der gemeinsame Nenner der Disziplinen interessiert.
Düsseldorf spielt in der Medienkunst nicht gerade in der Top-Liga mit.
Phillips Es gibt durchaus bedeutende Sammlungen, das IMAI, die Kunstsammlung NRW, Frau Stoschek und andere Privatsammlungen, auch der Kunstpalast hat etwa 60 Werke. Ich glaube, dass es ein Teufelskreis ist. Kuratoren und Sammlungen schrecken davor zurück, zeitbasierte Medien zu sammeln, weil sie am Haus nicht über das entsprechende konservatorische Know-How verfügen. Im deutschsprachigen Raum arbeiten daher nur sehr wenig Medienkunstrestauratoren. In den USA ist man da schon viel weiter. Auch am Guggenheim wurde, nachdem ich dort meine Arbeit aufgenommen hatte, selbstbewusster Medienkunst gesammelt. Vor mir gab es niemanden mit dieser Expertise.
Medienkunst, das heißt Video- und digitale, performative Kunst und Installationen – klingt nicht nach herkömmlicher Restauratorenarbeit.
Phillips Das heißt für den Restaurator, dass er schon beim Ankauf eingreift und nicht erst, wenn das Werk bereits einen Schaden hat. Wir sorgen dafür, dass die korrekten Formate und Geräte ans Haus kommen und arbeiten eng mit den Künstlern zusammen, um die Wandelbarkeit ihrer Werke zu identifizieren. Wir werden zu Managern dieses Wandels. Am Guggenheim haben wir zum Beispiel Live-Performances gesammelt, für die überhaupt kein Material mitgeliefert wurde. Da ist dann die Dokumentation unser wichtigstes Erhaltungs-Tool.
Werden Sie ein Institut für Medienkunst einrichten?
Phillips Nein. Es wird lediglich ein zusätzlicher Fachbereich. Wir werden jetzt erst einmal die Infrastruktur aufbauen und mit Volontariaten ausloten, wo der Bedarf in Düsseldorf liegt. Unser Kerngeschäft ist und bleibt die Betreuung der Sammlungen der Landeshauptstadt.
War Ihnen in New York das Restaurierungszentrum Düsseldorf ein Begriff?
Phillips Ja. Innerhalb unserer Szene ist das Düsseldorfer Zentrum ein bedeutender Ort mit 40-jähriger Geschichte. Das Institut hat immer wieder Pionierarbeit im Bereich zeitgenössische Kunst geleistet. Gründungsdirektor Althöfer hat viele Standardwerke publiziert. Später hat das Institut Projekte wie „Inside Installations“ koordiniert, wo 30 Sammlungen aus fünf Ländern die Erhaltung von Installationskunst erforscht haben. Ich möchte an diese Tradition anknüpfen und das Zentrum wieder zu einem Global Player machen.
Was werden Sie anbieten?
Phillips Seminare und Kolloquien für Fachleute. Aber auch Führungen und andere Angebote für das allgemeine Publikum. Konservierung und Restaurierung stoßen bei den Menschen immer auf großes Interesse.
Die Arbeit an einem Original hat ja auch durchaus etwas Erhabenes.
Phillips Ja, wir Restauratoren haben das Privileg, dem Werk extrem nahe zu kommen.
Welche ist die größte Herausforderung in Düsseldorf?
Phillips Momentan die Instandsetzung der traditionellen Werkstätten am Ehrenhof, die es seit den 1960er Jahren gibt, die aber seit 20 Jahren leerstehen, weil das Gebäude statisch ertüchtigt werden muss. Jetzt soll saniert, aber auch modernisiert werden. Die Hälfte unserer Mitarbeiter arbeitet seit damals in einem Provisorium, und wir können es kaum erwarten, wieder einen gemeinsamen Arbeits- und Identifikationsort zu erhalten.
Wann rechnen Sie mit der Wiederherstellung der Werkstätten?
Phillips Wir hoffen, dass Ertüchtigung und Umzug in den nächsten drei Jahren erfolgen können.
In Düsseldorf spielt die Fotokunst eine große Rolle. Sind Sie mit dem Konservierungsstatus zufrieden?
Phillips Wir verfügen deutschlandweit über eines der wenigen Labore für Fotorestaurierung. Darüber ist der Kunstpalast natürlich sehr glücklich, zumal mit dem jüngsten Ankauf der Fotosammlung Kicken. Die Disziplin ist noch nicht sehr alt, und weil Praktiken zum Teil noch in der Entwicklung stecken, ist unser Austausch mit anderen Protagonisten weltweit auch besonders wichtig.
Werden Sie auch mit der Kunstakademie zusammenarbeiten?
Phillips Daran hätte ich großes Interesse. Ich habe in New York regelmäßig junge Künstler in unsere Werkstatt eingeladen, damit wir über ihre neuen Projekte sprechen können. Sie arbeiten teilweise mit Materialien und Technologien, die noch gar nicht in den Museumssammlungen angekommen sind.