Düsseldorf Joachim Król dirigiert sich durch Camus

Düsseldorf · Der Schauspieler las im ausverkauften Schumann-Saal aus "Der erste Mensch". Begleitet wurde er vom Orchestre du Soleil.

Es war ein literarisches Ereignis, als 1994, also 34 Jahre nach seinem frühen Tod und 37 Jahre nach dem Nobelpreis für Literatur, ein Text von Albert Camus zum ersten Mal veröffentlicht wurde. In dem unvollendeten autobiografischen Roman "Der erste Mensch" verarbeitete Camus seine Kindheit und Jugend in Algerien. Auf ihrer Tournee tragen der Schauspieler Joachim Król und fünf Musiker diesen Roman derzeit durch Deutschland. Bei ihrer Station in Düsseldorf war der Schumann-Saal ausverkauft, das Publikum hingerissen.

Sobald Król zu lesen begann, wurde man in den Sog dieser Geschichte gezogen. Die Figur Jacques durchlebt, was Camus erlebt hat: die Kindheit in einem Armenviertel von Algier, die Strenge, die Schläge der Großmutter, gleichzeitig die Schwäche der Mutter und das Fehlen des im "Großen Krieg" gestorbenen Vaters - aber auch die Unterstützung des ersten Schullehrers, ohne dessen Fürsprache Camus' Leben kaum über Algier hinausgekommen wäre. Ihm dankte der Autor später persönlich in einem Brief, von Król am Schluss vorgetragen.

Król saß - vielleicht etwas unbequem - auf einem Barhocker und bewegte seine Hände beim Vortrag, als dirigiere er sich selbst. So nutze er Gesten und Mimik, um den Text dezent schauspielerisch auszudeuten.

Im Zentrum stand nämlich seine Stimme, die nie Króls Heimat Herne verleugnen kann und möchte. Diese Bodenständigkeit trug um so mehr zur Authentizität der Lesung bei. Król vermochte Lautstärke und Tempo so zu variieren, dass die Lesung zur spannenden, einfühlsamen Erzählung wurde. Das Orchestre du Soleil um den Komponisten und Bassisten Christoph Dangelmaier verband auf Saxofon, Akkordeon, Oud (arabischer Laute) und Schlagwerk französisches Chanson mit dem Orient. Die fünf Musiker mischten sich dezent ein, in dramatischeren Situationen erhoben sowohl sie als auch der Sprecher ihre Stimmen. Ausgedehntere Musikstücke oder Musik, die das aufmerksame Zuhören forderten, gab es nicht. Die Dramaturgie sah vor, dass es bei der Untermalung mit französisch-maghrebinischem Lokalkolorit blieb.

"Erfüllt von einer verzweifelten Liebe für meine Mutter" - in Formulierungen wie diesen brachte Król die tiefe Emotionalität zum Ausdruck. Eine kraftvolle Lesung eines starken Textes.

(RP)
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