Jan Philipp Gloger "Jelinek hat unglaubliche Lust an der Mode"

Düsseldorf · Die Literaturnobelpreisträgerin hat ein Stück über Mode verfasst. Am Samstag ist die Uraufführung im Düsseldorfer Schauspielhaus.

 Jan Philipp Gloger (35) setzt Jelineks neustes Werk "Das Licht im Kasten" in Szene. Ab 2018 ist er Schauspieldirektor am Staatstheater Nürnberg.

Jan Philipp Gloger (35) setzt Jelineks neustes Werk "Das Licht im Kasten" in Szene. Ab 2018 ist er Schauspieldirektor am Staatstheater Nürnberg.

Foto: Karmann/dpa

In Mainz hat er 2011 Elfriede Jelineks "Winterreise" auf die Bühne gebracht, 2014 in Karlsruhe die deutsche Erstaufführung ihres Stückes "Schatten" in Karlsruhe. Jetzt ist Jan Philipp Gloger der Maßschneider vom neuesten Werk der österreichischen Literaturnobelpreisträgerin, das an diesem Samstag seine Uraufführung in Düsseldorf erlebt. "Das Licht im Kasten" behandelt die Mode, ihre Bedeutung für Frauen, ihre Produktionsbedingungen, ihren Wert und ihre Fragwürdigkeit. Im Vorfeld sprachen wir mit dem noch jungen, sehr erfolgreichen Regisseur, der wie Jelinek musik-affin ist und neben dramatischen Stücken auch Opern inszeniert.

Herr Gloger, mögen Sie Jelineks Texte?

Gloger Ja, wahnsinnig.

Es ist ihre dritte Jelinek-Inszenierung, noch dazu eine Uraufführung. Ist das besonders aufregend?

Gloger Auf jeden Fall. Weil der Text noch ganz jungfräulich ist.

Jungfräulich?

Gloger Ja, ich bekam ihn als 90 Seiten starken Fließtext ohne irgendeine Aufteilung in Sprecher. Man weiß von der Autorin, dass sie ausdrücklich dazu auffordert, damit zu tun, was man will. Das ist das Besondere: Dass man alles mit diesen von Jelinek "Textwürste" genannten, eng gewebten Gebilden anstellen darf.

Alle Kritiker werden auf Sie schauen.

Gloger Dann ergibt sich hoffentlich ein umso differenzierteres Meinungsbild. Im Ernst: Das Publikum ist mir wichtiger.

Jelinek selbst meint, das Stück sei wegen des Modethemas in Düsseldorf gut aufgehoben, finden Sie das auch?

Gloger Aus der Perspektive von Nordrhein-Westfalen, das kann ich als gebürtiger Hagener beobachten und behaupten, ist in Düsseldorf immer noch ein hohes Bewusstsein für Kleidung bei den Menschen vorhanden. Und zwar in unterschiedlichsten Schichten und gesellschaftlichen Zusammensetzungen. Es gibt hier grundsätzlich diese gesteigerte Affinität für Kleidung und Mode, nicht nur bei den Leuten, die ihre Pelze auf der Kö spazieren führen.

Kleidung ist einfach ein großes Thema in dieser Stadt.

Gloger Ja, und es geht ja nicht nur um Mode, sondern um das, was Mode mit Menschen macht. Insofern ist das ein Stück für jeden, der Kleidung trägt. Wer tut das nicht?

Im Ursprungstext gibt es keine Personen - welche haben Sie erfunden?

Gloger Es stehen sieben Darstellerinnen auf der Bühne. Außerdem haben wir ein riesiges Altersspektrum, die Jüngste ist zehn, die älteste 70 Jahre alt. Neben Mode spielen das Älterwerden und der Tod eine große Rolle. Jelinek interessiert sich wahnsinnig für Kontraste in diesem Stück - einer ist der zwischen der ständigen Erneuerung, die die Mode zelebriert, und dem kontinuierlichen Älterwerden, dem Sterben, der Vanitas.

Man spürt, wir sind im Alterswerk von Elfriede Jelinek gelandet... Wie entwickeln Sie Dialoge, wo sie keine aufgeschrieben hat?

Gloger Bei Jelinek interessieren mich immer unterschiedliche Ansätze. Zuerst machen wir Sprechexperimente, um herauszufinden, wie die Texte sich entfalten. Wie man sie sprechen kann, dass sie zum Zuhören zwingen. Es gibt Dialoge und Monologe, dazu rhythmisierte Passagen, in denen Sprache als Musik begriffen wird. Man könnte den ganzen Abend als eine Komposition begreifen. Man muss sich aber auch einen inhaltlichen Weg durch die Textmassen bahnen.

Wird die Bühne zum Laufsteg?

Gloger Das wäre sicher eine zu naheliegende Lösung, zumal der Kern des Stückes für mich nicht in der Dopplung der Fashion Welt liegt.

Welchen Kern wollen Sie denn aus dem gedankenschweren Wortschwall herausarbeiten?

Gloger Mich interessieren die Widersprüche an diesem Stück. Wir setzen beim Untertitel an: "Straße? Stadt? Nicht mit mir!" Da schwingt Öffentlichkeit und Abkehr von der Öffentlichkeit mit, von Sich-Zur-Schau-Stellen und Sich-Verdecken. Mode ist immer beides. Wir wollen sie als ein widersprüchliches Phänomen zeigen, an dem man verzweifeln kann, obwohl man es liebt.

Jelinek liebt schöne Kleider.

Gloger Ja, sie hat unglaubliche Lust an der Mode. Doch gleichzeitig verzweifelt sie daran und arbeitet sich an den Schattenseiten von Konsum und Produktion ab.

Das Stück handelt stark von den Befindlichkeiten der Autorin, die sich als Fashion Victim beschreibt. Kommt Jelinek auf der Bühne vor?

Gloger Irgendwie ist sie in allem präsent, hat sich ständig in dieses Stück reingeschrieben. Und sie die ganze Zeit zu spüren, ist gut. Ein biografisches Stück über Jelinek daraus zu machen, finde ich aber uninteressant.

Sie haben eine 70-jährige Schauspielerin ins Ensemble geholt.

Gloger. Diese brauche ich, denn sie ist in Jelineks Alter. Die Schauspielerin Manuela Alphons hilft uns total dabei, aus der Perspektive einer 70-Jährigen auf das Stück zu gucken.

Kommt Jelinek in Düsseldorf zugucken?

Gloger Ich glaube, sie wird - wie immer - nicht zur Uraufführung ihres Werkes kommen. In diesen Fällen zieht sie ja in der Regel das Verdecken dem Erscheinen vor.

(RP)
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