Düsseldorf Iris Berben fühlt sich in Schubert ein

Düsseldorf · "Will in schön're Welten langen . . ." – unter diesem Titel stellten die Schauspielerin und der Pianist Sebastian Knauer im Schumann-Saal den Komponisten Franz Schubert und dessen Träume vom verlorenen Paradies vor.

 Iris Berben.

Iris Berben.

Foto: Christians

"Will in schön're Welten langen . . ." — unter diesem Titel stellten die Schauspielerin und der Pianist Sebastian Knauer im Schumann-Saal den Komponisten Franz Schubert und dessen Träume vom verlorenen Paradies vor.

Die Lieder, die Streichquartette, die Sinfonien. Alle Welt hört Schubert. Nicht ganz so viel weiß man über den Mann, der die Melodie beherrschte wie kaum ein Zweiter. Den introvertierten Träumer, dem die Konturen seiner Welt immer ein wenig zu scharf waren.

Iris Berben und Sebastian Knauer haben sich vorgenommen, das zu ändern. Ihre Lesung mit Musik im Robert-Schumann-Saal trug den Titel ",Will in schön're Welten langen . . .' — Franz Schubert und seine Träume vom verlorenen Paradies". Eine vom Pianisten Sebastian Knauer zusammengestellte Collage aus Klavierwerken und Schriftzeugnissen. Ein Dialog zwischen Wort und Musik, der den Menschen hinter dem Phänomen Franz Schubert hervorholen soll.

Berben und Knauer nehmen ihre Plätze auf der Bühne fast hastig ein, sie mit Lesebrille und im schlichten schwarzen Hosenanzug an einem kleinen Tisch, er ihr zugewandt am Flügel. Ein wenig verhalten wirkt die Berben noch, schließlich muss sie mit Schuberts kurzem Poem "Mein Gebet" den Anfang machen.

"Möchte füllen dunklen Raum mit allmächt'gem Liebestraum", rezitiert sie. Schon hier verrät sich Schuberts Leiden am Leben, seine Sehnsucht nach einer toleranteren, freieren Welt. Dann Knauer mit einer einfühlsamen Interpretation von Schuberts Allegretto c-moll, einem Stück voll Melancholie und Sehnsucht und Bangen. Die Berben nimmt ihre Brille ab und lehnt sich zurück, und Ergriffenheit legt sich über den Saal.

In einer ganz neuen Tonart liest sie danach aus "Mayrhofer — der Freund", kein Schriftstück von Schubert, sondern von seiner Jugendliebe Therese Grob. In munteren Worten reflektiert die Wienerin den Selbstmord des Schubert-Freundes Johann Mayrhofer. Die tiefen Gefühle für ihren "Franzerl", den Therese vor 16 Jahren hergab, als sie aus wirtschaftlichen Gründen den Bäckermeister heiratete. Hier zeigt sich die große Schauspielerin Berben, die alles hervorholt und es auf dem kleinen Lesetisch vor dem Publikum ausbreitet.

Hin und wieder ein erhobener Zeigefinger oder ein winziges Lächeln genügt, um die Tür zu Schuberts Gefühlswelt aufzustoßen. In einem Atemzug kann Iris Berben dabei von keck zu verzweifelt wechseln, von der naiven Verliebtheit der jungen Muse zur abgeklärten Reue der gereiften Bäckersfrau.

Mit seinen Stücken legt Knauer den perfekten Klangteppich für Berbens Vortrag. Die Übergänge sind fließend, die Künstler legen die Stimmungen übereinander. Knauer greift meist zu weniger populären Stücken wie der Ungarischen Melodie in h-Moll oder dem Scherzo aus der Klaviersonate Nr. 21. Nur nach dem Selbstzeugnis "Mein Traum", in dem Schubert 1822 seine Angst vor dem Vater und die immerwährende Suche nach Glück festhielt, spielt Knauer das bekannte Impromptu in Ges-Dur op. 90, in dem noch der Schmerz in Berbens Stimme nachhallt.

Auch der politische Metternich-Kritiker und der Beethoven-Verehrer Schubert tauchen an diesem Abend auf. Aber meist geht es um Liebe und Schmerz, jene zwei Hauptthemen, die für Schubert dasselbe sind. Selten erscheint ein Wort ohne das andere in einem Satz. Der Komponist hatte allerdings auch die Gegenstrategie: Er wollte die Wirklichkeit durch "Phantasie, das höchste Kleinod des Menschen" verschönern. Für diese Aufgabe erweist sich Iris Berben an diesem Abend als die richtige Frau.

(RP)
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