Düsseldorf In Ästhetik steckt viel Ethik

Düsseldorf · Stefan Herheim, einer der hochgelobten Regisseure seiner Generation, inszeniert Alban Bergs "Wozzeck" an der Rheinoper.

 Mit Alban Bergs Oper ist Stefan Herheim erneut an der Düsseldorfer Rheinoper zu Gast.

Mit Alban Bergs Oper ist Stefan Herheim erneut an der Düsseldorfer Rheinoper zu Gast.

Foto: Andreas Bretz

Den "Wozzeck" hat Stefan Herheim noch nicht inszeniert in seiner Karriere, die dem 47-jährigen Götz-Friedrich-Schüler schon dreimal die Auszeichnung "Opernregisseur des Jahres" eingebracht hat. Der Norweger, dessen Bayreuther "Parsifal" unter anderem im Bonner Bundestag spielte, der regelmäßig in Salzburg, Berlin, Amsterdam und anderen großen europäischen Häusern arbeitet, hatte 2013 an der Rheinoper schon einen fulminanten "Xerxes" hingelegt.

Dass Generalintendant Christoph Meyer ihn jetzt für Alban Bergs "Wozzeck" gewinnen konnte, hat nicht nur mit dem großartigen Werk zu tun, sondern auch mit Bo Skovhus. Der Bariton wollte den Wozzeck eigentlich nicht mehr singen, was auch mit der legendären Hamburger Wozzeck-Inszenierung von Peter Konwitschny vor 19 Jahren zu tun hat. Für Skovhus aber mochte Herheim, für Herheim wollte Skovhus nach Düsseldorf kommen. Und jetzt steht Herheim mit einer Zigarette vorm Bühneneingang, schaut aus neugierigen, strahlend blauen Augen aus dem von noch duschfeuchten Haaren gerahmten Gesicht und schwärmt von diesem Werk, dieser Partitur und der Arbeit mit einem hochrangigen und hochmotivierten Ensemble.

Das Gespräch über seinen Regieansatz dringt dann ganz unmittelbar zum Kern des Werks vor, dem ja Büchners Fragment zugrunde liegt, das in den Zeiten des Vormärz die Fragen nach Schuld und Schuldigen, Opfer und Täter am konkreten Fall des Woyzeck radikal und humanistisch stellt. Man hört, dass Herheim die Opernhandlung in eine Todeszelle verlegt: Wozzeck wird die Giftspritze verabreicht und indem das Gift zu wirken beginnt, steht die Zeit still und die Oper beginnt. Warum? "Mir war klar, dass ich etwas finden muss, was mich unmittelbar erschüttert an diesem Stück, und das war die Idee des Tötens im Namen der Gerechtigkeit. Das ist für mich zutiefst erschreckend, dass Gesellschaften morden dürfen, um Recht herzustellen", sagt er und begründet damit die Setzung einer neuen, heutigen Realität, in der die Opernhandlung auf einer gewissermaßen surrealen Ebene ablaufe. "Ich musste eine Stunde null finden für den Umgang mit Realismus in diesem Stück." In dieser anderen Wirklichkeit spiegele sich das Drama des Wozzeck, der ebenso wenig eine Chance habe in dieser Welt wie Marie, seine Geliebte. Die übrigen Figuren der Handlung stellten - als Repräsentanten des Systems - in Form einer Groteske die Hinrichtung Wozzecks zur Schau. "Es geht Berg eben nicht um einen Menschen, sondern das Problem Mensch, letztlich um uns." Und dann sagt Herheim noch so einen schönen Satz: "In Ästhetik steckt für mich ganz viel Ethik."

So weit das Konzept, das sich erst einmal wenig sinnlich anhört. Was aber bedeutet das für die Bilder, die Musik, die die Zuschauer ja berühren sollen? - So aseptisch weiß der Raum der Todeszelle, so unmittelbar, spontan, sinnlich sollen die Figuren wirken, sagt der Regisseur und wird fast poetisch: "Wir wollen die Membran zwischen Bühne und Saal zum Schwingen bringen."

Mit dem Regisseur arbeitet ein besonderes Ensemble. Axel Kober am Pult und die Düsseldorfer Symphoniker haben eine komplexe Partitur zu bewältigen. Mit Camilla Nylund wird eine Marie von fast überirdischer Schönheit zu hören sein, wie Herheim sagt. Matthias Klink, just zum Sänger des Jahres gekürt, übernimmt die Hauptmann-Partie, Corby Welsh den Tambourmajor, Sami Luttinen den Doktor.

(RP)
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