Düsseldorf. Im Oldie-Bus durch Düsseldorfs Kunstszene

Düsseldorf. · Erleben, wo und wie Künstler in Düsseldorf arbeiten - das wollten viele Gäste am ersten Kunstpunkte-Wochenende miterleben

 Beliebt bei den Kunstfreunden: Der Oldtimer aus dem Jahr 1955 hat Samtpolster, und er nimmt 20 Personen mit auf eine Tour.

Beliebt bei den Kunstfreunden: Der Oldtimer aus dem Jahr 1955 hat Samtpolster, und er nimmt 20 Personen mit auf eine Tour.

Foto: Hans-Jürgen Bauer

"Alle Jahre wieder" raunt Busfahrer Klaus Seuthe den beiden Künstlerinnen Melanie Richter und Gesine Kikol zu, als er sich hinter das weiße Lenkrad des "Neoplan SH 6" schiebt. Ratternd springt der Oldtimer mit dem verglasten Dach an - los geht's zu den Orten, an denen die Düsseldorfer Künstler arbeiten und wo sie zu den Kunstpunkte-Tagen ihre Werke zeigen. Seuthes 20 Fahrgäste lassen sich in die roten Samtpolster zurücksinken, so gut es geht. Denn im Shuttle durch Düsseldorfs Kunsthimmel muss man zusammenrücken, es ist ein kleiner Reisebus aus dem Jahr 1955 mit hoher Einstiegsstufe und schmalen Sitzen.

Ruckelnd bleibt das Gefährt direkt unter der Oberkasseler Brücke stehen, Seuthe rührt mit dem Schaltknüppel, während sich schon die ersten Schaulustigen sammeln. Das kennt der Mann, der eigentlich in Rente ist - wird er doch immer an den Kunstpunkte-Wochenenden gebeten, die Gäste für das Kulturamt zu chauffieren. "Die Jüngeren kümmern sich dann lieber um ihre Familie", sagt Seuthe. Auch seine Mitfahrer sind zumeist in den besten Jahren - Paare, Freundinnen, aber auch Männer und Frauen wie die 70-jährige Antje Kassemeck, die alleine gekommen und so neugierig sind, wie ihre Enkel es sicher auch wären. Denn das Programm und die teilnehmenden Künstler werden ihnen erst unterwegs von Melanie Richter und Gesine Kikol vorgestellt - sie wissen vorher nicht, welche Stationen sich das Kulturamt ausgesucht hat. Klar ist allerdings: Überall bleibt eine viertel bis halbe Stunde Zeit zum Schauen und Fragen stellen, spätere Rückkehr erwünscht...

Drei Stunden später sind sich alle einig: Unterschiedlicher hätten die Orte nicht sein können - sicher hätte man die meisten alleine nie gefunden oder gar besucht. Da sind die umfunktionierten Ladenlokale wie zum Beispiel an der Bagelstraße 117, wo Corinna Bernshaus und Uscha Urbainski ihre Kunstschule "Werksetzen" eröffnet haben. Die Objektkünstlerin Bernshaus hat dort ihre "Fragilés" aufgereiht - weiße Schalen, hauchdünn wie bei einem Ei. Und Uscha Urbainski stellt ihre Drucke vor: Menschen, die aus anderen Jahrhunderten zu kommen scheinen, auf Dekostoffen mit Ornamenten.

Dann gibt es die ehemaligen Handwerksbetriebe im Hinterhof. Mancher präsentiert sich dort alleine, wie die Bildhauerin Felicitas Lensing-Hebben an der Helmutstraße in Rath: Erst kürzlich ist die Frau mit dem flammroten Pagenkopf in das Backsteinhäuschen mit dem ausgebauten Dach umgezogen, und sie begrüßt die Gäste mit einem dreimaligen Gongschlag. Ihre Skulpturen, die sie aus Stücken gebrannter Tonerde zusammensetzt, ragen über die Köpfe der Anwesenden hinaus und wirken bewusst zeitlos. "Ich gestalte Archetypen", sagt sie, "damit überwinde ich die Lautstärke, Bewegungs- und Informationsflut."

Anderswo haben sich vier Künstler zusammengetan, um im Licht von Neonleuchten ihre Werke zu zeigen - wie Mechthild Frölich, Moni Müller, Traudel Stieve und Arnd Vogel an der Mülheimer Straße 11 in Düsseltal. Die abstrakten farbigen Landschaften von Mechthild Frölich gefallen dem Shuttlebus-Neuling Antje Kassemeck am besten, das wird sie später auf der Rückfahrt verraten.

Den größten Gegensatz erleben die Gäste am Schluss ihrer Tour: Das Ehepaar Hartmut und Brigitte Seeling-Fassbender begrüßt sie zur Besichtigung ihrer monumentalen Ölgemälde und Naturstudien in ihrer kleinen Jahrhundertwende-Villa an der Westfalenstraße, hinter der sich ein verträumter Garten mit Seerosenteich erstreckt. Danach geht es dann weiter ins Industriegebiet zum Atelierhaus Oberhausener Straße 15. Alle Künstler, die dort arbeiten, haben Werke für den gemeinsamen Projektraum "Piffpaffpuff" ausgewählt. Ein Titel, der sich auf die illustre Nachbarschaft des Hauses bezieht - die Justizvollzugsanstalt und ein Bordell, das demnächst eröffnet.

Auf der Rückfahrt im Bus sind einige in Gespräche mit den begleitenden Künstlerinnen Melanie Richter und Gesine Kikol vertieft, und manch einer erfährt staunend, dass nur ein bis zwei Prozent ihrer Künstler-Kollegen heutzutage von ihrer Arbeit leben können. Andere freuen sich still darüber, dass niemand von ihnen erwartet hat, viel von Kunst zu verstehen - sie waren einfach überall herzlich willkommen.

Nicht auszuschließen, dass sie noch einmal dabei sind, wenn Klaus Seuthe den Motor des Reisebusses anwirft - alle Jahre wieder...

(RP)
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