Schwerpunkt Kunstakademie "Ich will die Türen der Akademie öffnen"

Düsseldorf · Rektorin Rita McBride über die Trends beim Rundgang, Kunst aus dem 3D-Drucker und ihre Zweifel an den Ateliers am Steinberg

 Rita McBride auf dem Gang vor ihrem Büro in der Akademie. Dort laufen die Vorbereitungen für den Rundgang.

Rita McBride auf dem Gang vor ihrem Büro in der Akademie. Dort laufen die Vorbereitungen für den Rundgang.

Foto: Bretz

Spannende Zeiten an der Kunstakademie: Auf den Gängen legen die Studenten gerade letzte Hand an ihre Werke, die ab Mittwoch beim traditionellen Rundgang der Öffentlichkeit vorgestellt werden. Dass Rektorin Rita McBride eine Stunde später als geplant zum Gespräch in ihrem Büro erscheint, liegt aber nicht an Kunst, sondern an Hochschulpolitik: Vier Stunden hat die Senatssitzung gedauert. Dort wurden viele Stellen neu besetzt (siehe Infokasten).

Die US-Amerikanerin führt das Gespräch lieber in ihrer Muttersprache Englisch - mit einigen Ausnahmen: Der "Rundgang" oder die "Meisterklassen" sind Begriffe aus der Welt der Düsseldorfer Akademie, die es nur auf Deutsch gibt, auch wenn sie Fremdsprachlern schwer über die Lippen gehen.

Der jährliche Rundgang zeigt immer, wo die Akademie gerade steht. Sind Ihnen in diesem Jahr besondere Trends aufgefallen?

McBride Die Atmosphäre ist sehr positiv vor diesem Rundgang. Ich habe das ganze Jahr über beobachtet, dass abends noch Licht in der Akademie brannte. Die Studenten waren sehr aktiv. Dafür gibt es jetzt kurz vor Schluss nicht viel Stress. Dieses ruhige Arbeiten hat die Qualität der Arbeiten gesteigert.

Wie kam das?

McBride Ich denke, weil alle Professorenstellen besetzt waren. Dadurch gab es viel mehr Struktur. Die Studierenden konnten in Ruhe zusammen arbeiten, und das ist mir wichtig.

Sie wurden im Sommer dafür kritisiert, dass Sie ohne die Zustimmung des Senats freie Stellen vorübergehend besetzt haben.

McBride Damals haben wir aus einer Notsituation heraus gehandelt. Wir haben nach dem offiziellen Prozedere im Juli gemerkt, dass Lehrer fehlten. Wir mussten schnell handeln. Wir haben für das Semester wundervolle Künstler gefunden und sie haben tolle Arbeit gemacht. Jetzt haben wir mit Zustimmung des Rektorats drei Professuren besetzt, und darüber freue ich mich.

Welche Trends erkennen Sie in den Arbeiten der Studenten?

McBride Es gibt diesmal viele Installationen, die sich damit auseinandersetzen, wie Raum funktioniert. Außerdem stelle ich fest, dass Text in vielen Werken eine große Bedeutung hat. Vielleicht ist das eine Folge des Internets. Aber das Tolle am Rundgang ist ja gerade, dass jede künstlerische Position anders ist.

Sie haben mal gesagt, dass sich die Kunstakademie mehr mit dem digitalen Zeitalter befassen muss.

McBride Ja. Wir als Künstler müssen untersuchen, wie diese Millionen Bilder da draußen uns beeinflussen.

Zeigt sich dieser Anspruch in den Arbeiten beim Rundgang?

McBride Ich denke schon. Aber der Zusammenhang muss nicht direkt sein: Es kann sein, dass die Künstler darauf reagieren, indem sie Romantiker werden oder sich analogen Techniken zuwenden wie der Malerei.

Spielt denn Technologie unter Ihrer Leitung eine größere Rolle?

McBride Ja. Wir wollen den Studenten die Möglichkeit geben, sich mit neuer Technik zu befassen. Wir haben gerade unseren ersten 3D-Drucker bekommen. Es wird vielleicht Jahre dauern, bis wir verstehen, wie man dieses Gerät für Kunst nutzt. Aber es lohnt sich. Künstler sollten immer kritisch darüber nachdenken, warum die Dinge in der Gesellschaft so sind, wie sie gerade sind. Ein anderes Anliegen ist die Auseinandersetzung mit Klang. In dieser Woche wird ein Sound-System in der Aula installiert. Das werden wir nutzen für Workshops, Konzerte - und Partys, damit die Studierenden sich kennenlernen.

Sie haben bei Ihrem Start gesagt, die Akademie komme Ihnen vor wie im 18. Jahrhundert und müsse in 21. Jahrhundert geführt werden. Haben Sie denn schon etwas verändert?

McBride Nichts Fundamentales. Aber ich glaube, an der Akademie wird jetzt mehr kommuniziert. Mein Vorgänger Tony Cragg hat viele Fenster geöffnet, um frische Luft hineinzulassen. Ich will auch die Türen öffnen. Wenn sie die Gänge entlanggehen, sehen Sie, dass das schon klappt. Es entwickelt sich ein Gemeinschaftsgefühl, und das ist wichtig. Ich glaube, dass Studenten mehr voneinander lernen als von Professoren.

Wie kann die Akademie das befördern?

McBride Die Studenten sollten nicht nur in ihren Klassenräumen bleiben. Wir haben viele interessante Gäste zu Workshops und Diskussionen eingeladen und unterstützen die Studenten, das auch zu tun, zum Beispiel in ihrem Café. So gibt es dort nun schon seit drei Semestern das Projekt "Sparta", in dem ehemalige Studierende über ihre Zeit nach der Akademie sprechen. Wichtig ist uns auch, uns den kulturellen Räumen der Stadt zu öffnen. Wir haben zum Beispiel ein Projekt zu Zombie-Filmen mit der Filmwerkstatt in Flingern gemacht. Aber ich möchte, dass wir mit mehr Institutionen zusammenarbeiten.

Haben Sie schon konkrete Pläne?

McBride Wir haben viele Ideen für mögliche Partner, vom Schmela-Haus bis zur Volkshochschule. Die Aktivitäten der Akademie sollten nicht auf einen Ort beschränkt sein. Es geht in der Kunst nicht um Immobilien. Die Welt der Studierenden steckt inzwischen ohnehin in ihren Laptops. An welchen Orten sie gerade arbeiten, wird weniger wichtig.

Passen denn die altehrwürdigen Strukturen der Akademie noch ins 21. Jahrhundert?

McBride Ich glaube an die Idee der Meisterklassen! Auch wenn der Name für mich als Amerikanerin etwas komisch klingt, ist es ein einmaliges System. An der Akademie arbeiten großartige Künstler mit jüngeren Künstlern. Es ist aber gut, wenn sich die Trennung in Sparten auflöst. Ich bin zum Beispiel Professorin für Bildhauerei, aber in meiner Klasse wird viel gemalt. Ausgangspunkt müssen die Ideen der Studenten sein. Wir geben ihnen ein Vokabular, um ihre Ideen auszudrücken.

Was ist aus den geplanten Ateliers für Absolventen im ehemaligen Rheinbahn-Depot am Steinberg geworden? Von Stadt und Land hört man, man warte auf die Akademie.

McBride Wir arbeiten noch am Konzept. Dieses Projekt ist ein wichtiger Schritt, und aufwändig, was Geld und Zeit angeht.

Manche sagen, Sie verfolgen diese Idee Ihres Vorgängers Tony Cragg zu halbherzig.

McBride Ich war nie dagegen, dieses Projekt umzusetzen, ich will es aber richtig machen. Die Frage ist, was der richtige Weg ist. Wenn junge Künstler an unserem Haus den Abschluss machen, haben sie sechs oder mehr Jahre in diesem Umfeld verbracht. Helfen wir Ihnen, wenn wir sie für weitere Jahre binden? Ich stehe für einen institutionsübergreifenden Austausch.

Sollte man das Geld also besser in ein anderes Projekt stecken?

McBride Nein. Wir müssen aber noch klären, was wir am Steinberg genau wollen. Das ist eine Gruppenentscheidung. Mir ist Demokratie an der Akademie sehr wichtig.

Gibt es ein anderes großes Projekt, das Sie in Ihrer Zeit als Rektorin der Düsseldorfer Kunstakademie anstoßen wollen?

McBride Ich interessiere mich nicht dafür, ein Vermächtnis zu hinterlassen, wenn Sie das meinen. Ich will die Studierenden inspirieren, deshalb setze ich mich zum Beispiel dafür ein, dass sie Studien- und Bildungsreisen machen können. So etwas kann das Leben verändern. Eine tolle Neuigkeit ist daher die gezielte Förderung von Klassentrips. Außerdem installieren wir ab dem nächsten Sommersemester zwei neue Preise für Absolventen, die längere Studienaufenthalte in Los Angeles und in New York ermöglichen. Ich will, dass die Zeit an der Akademie die Studierenden prägt. Und ich freue mich, dass es uns gelingt, dass viele unserer Absolventen weiter als Künstler arbeiten können.

Leben Sie eigentlich komplett in Düsseldorf?

McBride Ich lebe in den USA und in Düsseldorf. Ich habe eine Wohnung in Oberkassel und ein Atelier. Mein Ehemann ist derzeit meist in L.A., und ich fliege hin und her. Ich hänge nicht an einem Ort. Mein Job ist seit 25 Jahren, als international tätige Künstlerin durch die Welt zu reisen. Was manche vergessen: In erster Linie bin ich immer noch Künstlerin. Die Position des Akademierektors war immer eine für Künstler.

Wie geht es denn mit Ihrem Deutsch voran?

McBride Als ich Ja zum Rektorat gesagt habe, hieß es, ich müsse kein Deutsch sprechen. Inzwischen heißt es, ich sollte es besser können. Es geht vorwärts, auch weil ich mit einem Dozenten lerne. Ich bin generell kein großer Redner, auch kein guter Small-Talker. Vielleicht bin ich deshalb manchmal zu leise in der Öffentlichkeit. Aber in der Kunst geht es um etwas anderes. Ich freue mich, alle Düsseldorfer zum Rundgang einzuladen. Sie sind willkommen.

ARNE LIEB FÜHRTE DAS GESPRÄCH

(RP)
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