Düsseldorfer Kunstberater in U-Haft So funktioniert das System Achenbach

Düsseldorf · Der Düsseldorfer Kunstberater beherrscht die Kunst der Vermittlung. Vor allem Künstler sind ihm dafür dankbar.

Kunstberater und Ex-Fortuna-Präsident: Das ist Helge Achenbach
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Kunstberater und Ex-Fortuna-Präsident: Das ist Helge Achenbach

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Foto: Endermann, Andreas

Von Helge Achenbach, dem wegen Betrugsverdachts zurzeit in Untersuchungshaft sitzenden Düsseldorfer Kunsthändler, erzählt man sich, dass er ganz klein angefangen habe. Er sei durch die Räume der Akademie gezogen, habe dort günstig Kunst von Studenten erworben und sie zu erheblich höheren Preisen verkauft. Wer also heute behauptet, Achenbach verstehe nur etwas von Handel und nichts von Kunst, liegt falsch. Denn am Anfang stand nicht nur das Gespür dafür, was Käufer findet, sondern auch das richtige Näschen dafür, was auf Dauer Bestand haben könnte.

Früh hat Achenbach auch mit Kunst gehandelt, die schon anerkannt war: mit Werken der rheinischen Zero-Gruppe. So hat er es bis heute gehalten. Auch in der von ihm für einen kleinen Kreis privater Käufer konzipierten "Sammlung Rheingold" mischen sich weltbekannte Namen mit solchen, die noch keiner kennt.

Menschen, die Achenbach näher stehen, wissen zu berichten, er habe kaum Freunde, aber unglaublich viele Bekannte. Seine Kontaktfreude hat sich als sein Schlüssel zum Erfolg erwiesen. Bald begnügte er sich nicht mehr damit, Kunst einfach zu verkaufen, sondern er schnürte Pakete. Wir erinnern uns an unsere erste Begegnung mit ihm im September 1988. In einer abrissgeweihten Lagerhalle des Zollhofs im heutigen Düsseldorfer Medienhafen hatte er eine Sammlung von Werken Joseph Beuys' ausgebreitet, die er selbst zusammengetragen hatte: vom "Doppelaggregat" über beschriftete Schiefertafeln bis zu Beuys' origineller Stempelkollektion, mit der sich Sätze wie "Beuys: ich kenne kein Weekend" und "Überwindet endlich die Parteiendiktatur!" aufs Papier drücken ließen. Ein vorzüglicher, ebenfalls von Achenbach in Auftrag gegebener Katalog begleitete die Schau.

Damals konnte Achenbach sich so etwas Kostspieliges schon leisten, denn er war bereits arriviert. Schließlich hatte er zwei Jahre zuvor sein erstes Großprojekt für ein Unternehmen durchgezogen: die Vermittlung zweier riesiger Gemälde für die Hauptverwaltung der einstigen Victoria-Versicherung (heute Ergo). Ihm war es gelungen, den seinerzeit schon hoch angesehenen Maler Gerhard Richter dazu zu bewegen, eigens für diesen Ort zu arbeiten. So etwas schafft nicht jeder. Wegen dieses Talents begann man Achenbach zu schätzen - und immer häufiger zu Rate zu ziehen.

Zwölf Jahre später engagierte ihn das Versicherungsunternehmen noch einmal, doch als nach weiteren zwölf Jahren ein neuer Anbau mit Kunst gefüllt werden sollte, entschied man sich für einen Künstler als Berater, nicht mehr für Achenbach. Offenbar hatte es sich herumgesprochen, dass Beratungsleistungen auch erheblich preiswerter erhältlich sind als bei "Achenbach Art Consulting". Und dass es gute Künstler auch außerhalb des Achenbachschen Kosmos gibt. Dieser Kosmos gründet sich vor allem auf folgende Namen neben Gerhard Richter: Andreas Gursky, Thomas Schütte, Dan Flavin, Stephan Balkenhol, Ernst Hesse, Daniel Buren, Sol Le Witt, Bernd und Hilla Becher, Beat Streuli, Tony Cragg, Frank Stella, Joseph Kosuth, Gerhard Merz, James Turrell und Matt Mullican. Es waren also keinesfalls, wie oft behauptet wird, nur rheinische Künstler, deren Werke er in große Sammlungen vermittelte, sondern zu einem Teil auch solche aus dem englischsprachigen Raum. Achenbach war bis zuletzt, bis zum Beginn seiner U-Haft, rastlos unterwegs auf der Strecke über dem Atlantik.

Wären Gursky und Stella ohne Achenbach heute nicht die Größen auf dem internationalen Kunstmarkt, die sie sind? Doch, gewiss, denn immer gibt es auch andere Kanäle der Kunstvermittlung: andere Berater, dazu Museumsleute mit guten Kontakten (man denke an Kasper König), Galerien und Auktionshäuser. Aber Achenbach war in diesem Markt bis vor kurzem ein wichtiger Akteur. Und die Künstler, deren Werke er vermittelte, sind ihm dankbar dafür, dass er ihnen nicht nur die Verhandlungen mit potenziellen Käufern abgenommen hat, sondern auch dafür sorgte, dass die Preise stiegen. Deshalb ist von ihnen selbst jetzt kein böses Wort über Achenbach zu hören. Zuletzt hatte Achenbach sein System der Beziehungen auf die Spitze der Vollendung getrieben, indem er sich flankierende Maßnahmen für seine Vermittlungsdienste leistete. Zwei Monate nachdem 2002 die große Flut der Elbe das Albertinum in Dresden unter Wasser gesetzt hatte, rief er eine Versteigerung ins Leben, für die 45 berühmte Künstler Werke spendeten.

Zeitgenossen, die bis vor kurzem regelmäßig mit Achenbach Umgang pflegten, ist aufgefallen, dass die Erfolge ihn zusehends der Wirklichkeit enthoben hätten. Hat er nun betrogen? Oder hat er nur seinen Job gemacht? Aus seiner Sicht ist der Fall klar: Er hat zwar sich selbst genützt, aber auch seiner Kundschaft und darüber hinaus der Gesellschaft.

Vor Gericht wird sich nun erweisen müssen, wie die rechtlichen Vertreter der Gesellschaft ihrerseits die Dinge sehen.

(RP)
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