Düsseldorf Heesters' Schicksalsstadt ist Düsseldorf

Düsseldorf · Nicole Heesters steht ab Sonntag in Ferdinand von Schirachs Theaterstück "Terror" auf der Bühne des Schauspielhauses.

"Sie sehen aus wie Frau Heesters", sagte kürzlich eine Frau in der Straßenbahn zu ihr. "Ich bin Nicole Heesters", antwortete ihr die Schauspielerin, die derzeit in den Endproben zu "Terror" auf der Bühne steht und für ein paar Wochen von Hamburg an den Rhein gekommen ist. Sogleich entwickelte sich ein Gespräch über die guten alten Zeiten im Schauspielhaus, über die Ära Stroux, die 1955 begann und bis 1972 eine glückliche Intendanz war.

Die Wege von Karl-Heinz Stroux und Nicole Heesters kreuzten sich, als die in Potsdam geborene Tochter von Joopi Hesters und seiner flämischen Frau Louisa Ghijs noch ganz jung war. Das ist fast 60 Jahre her. Stroux fand Gefallen an der jungen Dame, die schon mit 15 Jahren auf das Max-Reinhardt-Seminar gegangen war, um Schauspielerin zu werden. Und Stroux förderte sie, nahm sie ins feste Engagement, mutete ihr sogleich Großes zu. Heesters durfte große Rollen übernehmen, spielte Kleists "Penthesilea" und am nächsten Abend das "Käthchen". Bis heute hat sie all die Rollen nicht gezählt, denn mit Zahlen hat sie es nicht so, wie sie sagt. Aber ihre Erinnerungen sind stark. Gerade, bei ihrem Gastspiel, holen sie sie wieder ein.

In Düsseldorf ist sie volljährig geworden, erzählt sie, damals noch mit 21. Mit Karl-Heinz Stroux hat sie gemeinsam die Eröffnung am Gustaf-Gründgens-Platz erlebt, die erste Probe gehabt. Sie hat in Düsseldorf ihren geliebten Mann kennengelernt, geheiratet und ihre zwei Kinder geboren, die heute erwachsen sind. "Düsseldorf ist ein guter Boden", sagt sie und dass es eine wunderbare Zeit war, bis sie 1972 das Schauspielhaus hinter sich ließ. zeitgleich mit Stroux ging. Hier hatte sie auch Günther Beelitz kennengelernt, der sie nun als Intendant für "Terror" eingeladen hat.

Er hat sie angerufen und ihr das erste Theaterstück von Ferdinand von Schirach zum Lesen geben. Sie kannte und mochte den Autor, der auch Strafverteidiger ist. Sie hat von ihm alles gelesen, es hat sie beeindruckt und ihr schlaflose Nächte beschert. Dann sagte sie Beelitz zu, der das Stück kurz nach der Uraufführung in Berlin und Frankfurt zeigt (Premiere: 18. 10.). "Der Stoff füllt uns aus", erzählt Heesters bei unserem Treffen nach der Probe. Heute gibt es den ersten Durchlauf. Sie spielt die Staatsanwältin, ist eine von sieben Menschen auf der Bühne. "Ich komme wieder einmal in ganz andere neue Gebiete" sagt sie, "jetzt die Juristerei." Das finde sie aufregend. Das Thema ist aktuell, Heesters vertritt das Recht und die Gerechtigkeit. Jede Rolle laste auf den Schultern, sagt sie, aber sie freue sich, dass sie im hohen Alter engagiert wurde. "Wahrhaftig, glaubwürdig, unprätentiös" will sie sein, "wenn ich das so sagen darf."

Das mit dem "hohen Alter" kann nur Koketterie sein, wenn man die 78-Jährige anschaut und ihr zuhört. Wache Augen, ein ausdrucksstarker Mund, eine Frisur mit Sturmwellen - so wie ihr Leben. Doch Koketterie liegt ihr fern. Heesters ist völlig unverstellt, spricht mit lauter Stimme, hält beim Gespräch die Arme überm Kopf zusammen wie ein junges Mädchen. "Ich hatte sehr viel Glück in meinem Leben", erzählt sie. Dass man zu Hause gut mit den Töchtern umging, und dass Joopi sie immer gefördert habe, besonders in ihrem Wunsch, Schauspielerin zu werden. "Ich bin das Sprungbrett, aber springen musst du selber", habe er zu seiner 16-jährigen Tochter gesagt, die erst Nonne und Straßenbahnfahrerin werden wollte, sich aber dann zur Schauspielerei entschloss. Im Nachhinein war es die richtige Entscheidung. "Ich empfinde eine tiefe Liebe zu meinem Beruf", sagt sie, und "ich habe den Glauben an diesen Beruf nie verloren." All dies liegt nah bei ihrem Elternhaus: Der Vater war Schauspieler, die Mutter Sängerin. Die eigenen Kinder setzen das Erbe fort: Ihre Tochter ist Schauspielerin, ihr Sohn - wie sein Vater - Bühnenbildner. Nicole Heesters hat fünf Enkelkinder, allein deswegen, um diese Kinder großwerden zu sehen, würde sie ihre Wahlheimat Hamburg nicht mehr verlassen wollen.

Die Wohnung, in der sie seit dem Tod ihres Mannes alleine lebt, erscheint ihr fast zu groß. Aber schön ist sie. Den geliebten Gefährten, der vor einigen Jahren gestorben ist, vermisst sie. Manchmal denkt sie darüber nach, ob sie nicht einen Menschen in ihrer Wohnung aufnehmen will, der nicht so viel Glück im Leben hatte wie sie. Das beschäftigt sie in diesen Tagen, in denen viele fremde Menschen eine neue Heimat suchen.

Wer sie nach Heimat fragt, wird zu jeder Zeit ihres Lebens eine andere Antwort bekommen haben, denn "Heimat ist immer da, wo man gerade ist. Heute da, wo meine Kinder sind." Heesters ist eine weltgewandte Frau mit belgischen und niederländischen Wurzeln, mit kaum hörbarem, weichem österreichischen Akzent, präsent aus hunderten Auftritten auf Bühnen in Deutschland und Österreich, in Filmen und im Fernsehen. Auch als erste weibliche "Tatort"-Ermittlerin machte sie in drei Folgen eine gute Figur. Als man sie als Kommisssarin Buchmüller an der Supermarktkasse ansprach, wurde es ihr zu viel. Sie wollte nicht als Kommissarin enden, denn "das Theater hat mich und ich habe das Theater nie losgelassen".

(RP)
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