Hans Hartung Der Meister an der Spritzpistole

Die Galerie Setareh zeigt eine museumsreife Schau mit Werken des Malers Hans Hartung. Zu entdecken ist eine Persönlichkeit, die auf Augenhöhe mit Kollegen wie Mark Rotho arbeitete.

Blick in die Ausstellung mit Arbeiten von Hans Hartung.

Foto: Setareh

Hans Hartung (1904-1989), der Deutsche in Paris, trat nach dem Zweiten Weltkrieg den Siegeszug in der abstrakten Kunst an. Karl-Otto Götz war 1947 sein Bewunderer, Mark Rothko besuchte ihn. Doch dann zog Jackson Pollock an dem Dripping-Maler der ersten Stunde vorbei. Nach den Retrospektiven in Düsseldorf und Köln in den 1970er Jahren geriet er in Vergessenheit. Nun holt ihn Samandar Setareh aus der Versenkung, er präsentiert den Maler seit der Gründung seiner Galerie im Jahr 2013 an der Königsallee.

Erst jetzt wird deutlich, was für ein Meister der Spritzpistole er war, lange vor den heutigen Sprayern. In den frühen 1960er Jahren soll er mit einem umgebauten Staubsauger dunstig-verschwommene Hintergründe erzeugt haben. Selbst in seinem letzten Lebensjahr, als er teilweise gelähmt war und im Rollstuhl saß, agierte und dirigierte er eine umfunktionierte Gartenspritze. Auch von Gerätschaften, wie man sie in den Weinbergen zum Verspritzen von Insektenschutzmitteln benutzt, ist die Rede.

Aber dieser Technikfanatiker überzeugte nicht nur mit Drippings aus Tropfen, Spritzern, Schlieren und Klecksen. Er war auch ein bedeutender Zeichner, der seit den 1950er-Jahren seine Tuschpinsel-Aquarelle von seinen Assistenten in große Bildformate übertragen ließ. Zum Aufspritzen der Farbe gehörte seitdem das Herausholen des Untergrunds durch einzelne Linien. Er schrammte, kratzte, kämmte und fegte feine Spuren auf der feuchten Öl- und vor allem Acrylfarbe. Er benutzte die verschiedensten Rakel, präparierten Bürsten, Schaber, Spachtel und sogar Besen aus den Zweigen von Olivenbäumen, um Farben aufzupeitschen. Nur so konnte er durch minimale Schlitze in den Tiefenraum dringen. Setareh meint, er hätte alle zehn Jahre die Sprache der Abstraktion verändert.

Die Schau an der Kö ist mit 14 Arbeiten zwischen 1961 und 1989 museumsreif. Der Galerist kaufte über die Stiftung Hans Hartung, die dem französischen Staat gehört und jahrelang seine Werke in den Handel gab, sowie über Sammlungen. Bewundernd meint er über seinen Künstler: „Er ist einer der bedeutendsten europäischen Künstler der Abstraktion des 20. Jahrhunderts. Ich sehe ihn auf Augenhöhe mit amerikanischen Vertretern des abstrakten Expressionismus wie Jackson Pollock und Mark Rothko. Künstler und Künstlerinnen wie Katharina Grosse stehen auf dem Fundament, das er geschaffen hat."

Die Ausstellung dokumentiert, wie Hartung die Farben wolkig zerstäubte, Linien wie Drahtgespinste rotieren ließ, zwischen zartblauem Grund und erdigem Braun balancierte und plötzlich mit einem diagonalen Strich die Dunkelheit aufreißen konnte. Selbst wenige Tage vor seinem Tod übermittelte er der Nachwelt, was man mit dem informellen Vokabular an Dramatik suggerieren kann. Setareh: „Er machte nicht wie viele Künstler von heute einfach weiter, sondern er machte immer wieder Neues."

Dabei war sein Leben durch die Nazis schwer gezeichnet, was er in seiner Kunst nie verriet. Der gebürtige Leipziger, der 1935 nach einem Verhör der Gestapo alle Zelte in Deutschland abbrach, im Sanitätscorps der Fremdenlegion gegen Hitler-Deutschland kämpfte und dabei ein Bein verlor, nahm 1946 die französische Staatsangehörigkeit an.

Info Die Solo-Schau von Hans Hartung ist bis zum 12. Oktober in der Galerie Setareh an der Königsallee 27 - 31 zu sehen. Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 10 - 19 Uhr, Sa bis 18 Uhr