Musik Hancock - Chamäleon des Jazz

Düsseldorf · Immer wieder hat der 1940 in Chicago geborene Herbert Jeffrey Hancock Genregrenzen gesprengt und sein Publikum überrascht. Bereits als 22-Jähriger veröffentlichte er beim berühmten "Blue Note"-Label seine erste Platte unter eigenem Namen. Danach war er fünf Jahre lang Mitglied im Miles-Davis-Quintett. Hancock spielte akustischen Jazz, Jazz-Rock und Funk, mischte Jazz mit Pop und Hip-Hop und arbeitete mit Musikern aus aller Welt zusammen.

 Herbie Hancock kommt nach Düsseldorf.

Herbie Hancock kommt nach Düsseldorf.

Foto: Heinersdorff

Ihr Konzert heißt "Herbie Hancock plugged in". Also mit Strom — spielen Sie an dem Abend nur Electric Jazz?

Hancock Nein, ich mache eine Kombination von akustisch und elektrisch. Ich werde natürlich auf dem Flügel spielen, aber auch einige Synthesizer und Computer auf die Bühne stellen.

Der Untertitel lautet "A Night of Solo Exploration". Was wollen Sie denn solistisch erforschen?

Hancock Ich werde einige bekannte Stücke spielen, anderes aber auch erst an Ort und Stelle kreieren.

Wir kennen Sie als großen Bandmusiker — und solo sind Sie eher selten auf Tournee. Täuscht der Eindruck?

Hancock In den 80ern habe ich einmal eine Reihe von Solokonzerten gegeben. Aber das waren so wenige, dass man wirklich nicht von "Tourneen" sprechen kann.

Bevor Sie sich der Musik widmeten, haben Sie Elektrotechnik studiert. Rührt daher Ihr Interesse an elektronischen Instrumenten?

Hancock Absolut. Schon als Kind habe ich mich für Wissenschaft interessiert, habe Uhren auseinandergenommen, um zu sehen, wie sie funktionierten. Das ist diese Neugier, die auch hinter meinen musikalischen Experimenten steckt. Sie hält mich lebendig.

Einer ihrer größten Hits heißt "Chameleon". Wegen Ihrer stilistischen Wandlungsfähigkeit werden Sie selbst oft als "Chamäleon" bezeichnet. Mögen Sie diese Metapher?

Hancock Ja, sehr sogar. Nach fünf Jahrzehnten arbeite ich immer noch im Musikgeschäft und erfinde mich immer wieder neu.

Werden Sie mit diesen Verwandlungen jemals aufhören?

Hancock Ja. Wenn ich aufhöre zu atmen.

Ihre Arbeit mit Miles Davis ist wahrlich legendär. Was ist das Wichtigste, das Sie von ihm gelernt haben?

Hancock Das erste, was ich bemerkte, war die Bedeutung des Zuhörens. Alles, was wir anderen zum Gruppensound beitrugen, wurde durch die Art und Weise, wie Miles spielte, verwoben.

Ein Beispiel, bitte!

Hancock Gern. Ich glaube, es war sogar in Deutschland, in Stuttgart: Es war das beste Konzert unserer Tour. Die Band spielte großartig, voller Kraft, Feuer und Kreativität. Das Publikum hatten wir längst im Griff. Es war uns gelungen, über den ganzen Abend einen Spannungsbogen aufzubauen, der mit Miles Davis' berühmtem "So What" auf seinen Höhepunkt zusteuerte. Plötzlich, mitten in seinem Solo, spielte ich einen Akkord, der für meine Ohren grausam falsch klang. Ich fühlte mich schrecklich und dachte, ich hätte alles zerstört.

Und dann?

Hancock Miles holte Luft und spielte ein paar Töne, die meinen Akkord richtig erscheinen ließen. Auf einmal passte alles zusammen. Ich war total verblüfft. Wie hatte er das gemacht? War das Zauberei? Ich habe Jahre gebraucht, um zu verstehen, dass Miles meinen Akkord gar nicht als Fehler gewertet hat. Er hatte den Vorsatz: Egal, was passiert, versuche, einen Weg zu finden. Und genau das war ihm gelungen.

Ihre Frau ist Deutsche. Sind Sie oft in Deutschland zu Familienbesuchen?

Hancock Manchmal begleitet mich meine Frau, wie bei meinem letzten Besuch in Deutschland. Dann kümmert sie sich um alle: Zuerst hört sie einige meiner Konzerte an — und ist dann für ihre Familie da.

Was haben Sie musikalisch noch vor?

Hancock Im Moment gilt mein Hauptinteresse der Weltmusik, also Musik verschiedener Länder, Kulturen zu vereinen oder wenigstens in Kontakt zu bringen. Wissen Sie, seit 40 Jahren bin ich ja Buddhist. Da ist einem jeder Einzelne auf dem Globus wichtig.

(RP/das)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort