Düsseldorf Hamlets Monolog - mit Musik

Düsseldorf · Christian Friedel, Filmschauspieler und Hauptdarsteller aus "Der Sandmann", ist jetzt mit seiner Band im Theaterzelt zu erleben.

 Christian Friedel in Robert Wilsons Regie von "Der Sandmann".

Christian Friedel in Robert Wilsons Regie von "Der Sandmann".

Foto: Lucie Jansen

Er war so ein Kind, das vormachen wollte. Das darauf brannte, vor anderen aufzutreten. Darum saß Christian Friedel in seiner Jugend in Magdeburg nachmittags in der Poliklinik seines Vaters in der leeren Kantine. An einem verstaubten Klavier drückte er Tasten, bis es schön klang, übte Läufe mit Fingersätzen, die er selbst erfand, und führte dem Vater die neuen Fähigkeiten vor. Nie hat Friedel Klavierunterricht genommen, erst an der Schauspielschule in München Gesangsunterricht gehabt. Doch die Musik hat ihn immer begleitet, war immer ein Medium, durch das er sich ausdrücken wollte. "Mein erster Berufswunsch war Zirkusdirektor. Singen, Leute unterhalten, für mich hat das schon immer zusammengehört", sagt er.

Und so ist der Schauspieler nicht nur auf der Bühne und in außergewöhnlichen Filmen wie "Das weiße Band", "Elser" oder aktuell in der Serie "Babylon Berlin" zu erleben. Er ist auch Kopf einer Band, die sich "Woods of Birnam" nennt und Anfang November im Theaterzelt an der Rheinterrasse auftreten wird. Der Junge, der Zirkusdirektor werden wollte, gastiert im Zirkuszelt.

Friedel lacht, als er das sagt. Er trägt ein T-Shirt mit wildem Blumenmuster an diesem Nachmittag und genießt noch ein bisschen die Sonne, eh er in die Maske muss. "Der Sandmann" steht auf dem Programm, Friedel spielt die Hauptfigur Nathanael in der kunstvollen Inszenierung von Robert Wilson. Seit Wochen füllt diese Produktion das Schauspielhaus am Gründgens-Platz. Und natürlich hat Friedel darin dem Düsseldorfer Publikum längst gezeigt, welch musikalisches Talent er besitzt.

Er selbst nennt die Rolle "die anstrengendste, die ich gerade mache", weil er sich nicht nur als Schauspieler mit präzisen Bewegungen in die perfekt komponierten Bilder des Robert Wilson fügen muss, sondern auch als Sänger gefordert ist. So muss er etwa mit der Kopfstimme besonders hoch singen oder nach Passagen, in denen er als erschrecktes Kind schreien muss, plötzlich sanft und leise einen Song anstimmen.

Friedel hat es gereizt, mit Wilson zu arbeiten, weil der so musikalisch mit Texten umgehe, seine Inszenierungen allesamt als Oper begreife. Doch die Proben haben ihn dann überrascht. Denn obwohl der Starregisseur mit extrem stilisierten Bildern arbeitet, sind die Schauspieler für ihn keineswegs Figuren, die nur ins rechte Licht gerückt werden. "Wilson wollte wissen, was ich über die Figuren denke, und er liebt es, wenn die Persönlichkeit eines Schauspielers durch die Rolle hindurchscheint", sagt Friedel. Das sei, als interpretiere man ein Lied. "Man fügt etwas Eigenes hinzu."

Die Musik ist für Friedel bei allem Bezugsgröße. Schon als Schauspielschüler hat er in Bands gesungen, hat allerdings auch gemerkt, wie sensibel solche Gruppen sind, wie schnell sie zerbrechen. Doch dann lernte er 2011 die Gruppe "Polarkreis 18" kennen. Und er passte so gut zu den vier Musikern, dass sie zusammen eine neue Formation gründeten, die Woods of Birnam. Diese Band zerbrach nicht. Gemeinsam entwickelten sie Songs für eine "Hamlet"-Inszenierung in Dresden, die unter dem Titel "Hamlet Live EP" herauskam, und veröffentlichten 2014 ihr erstes Album.

Ein Song daraus wurde das Titellied zu Til Schweigers Alzheimer-Tragikomödie "Honig im Kopf". Seitdem kennt ein Millionenpublikum vielleicht nicht den Namen, aber den leicht melancholischen Sound der Gruppe. "Die Emotionalität unserer Musik passte zum Film", sagt Friedel, "und wir haben uns gefreut, dass wir ein großes Publikum erreichen würden." Bis heute ist der Schauspieler mit Schweiger in Kontakt, lässt ihn ab und an wissen, woran die Band arbeitet.

Das ist viel im Moment: Im Theaterzelt wird ein Shakespeare-Abend der Gruppe zu erleben sein, Friedel performt in der Figur des Hamlet, interpretiert die großen Monologe erst mit sprachlichen, dann mit musikalischen Mitteln. "Ich will bei Konzerten eigentlich kein Schauspieler sein, keine Rolle spielen", sagt Friedel, "aber die Kombination mit Shakespeare schenkt uns die Freiheit, musikalisch viele Farben zeigen zu dürfen. Wir stecken in keinem Korsett, müssen uns nicht auf ein Genre beschränken." Ein assoziativer, collageartiger Abend erwarte die Zuschauer, der sie auch mit eigenen Fantasien konfrontiere.

Zugleich arbeitet die Band an der Bühnenmusik für Armin Petras' Inszenierung von Georg Orwells "1984", die ab Mai im Schauspielhaus zu erleben sein wird. Vierzehn Songs sollen "Woods of Birnam" dafür liefern. Friedel lacht wieder, als er das erzählt, viel zu tun. Doch er mag diese Art von Druck, von erhöhter Wachheit. Darum hat er damals auch zugesagt, als das Schauspielhaus plötzlich einen "Revisor"-Hauptdarsteller brauchte. Moritz Führmann hatte sich verletzt - drei Tage vor der Premiere. "Das war natürlich verrückt, aber auch eine große Freude", sagt Friedel, "ich habe viel Energie in mir und mache meinen Beruf mit sehr viel Lust und Neugier." So habe er auch keine Angst vor Burn-out.

Vor Überlastung schon. Darum wird Friedel zum Jahresende auch zum ersten Mal nach drei Jahren Urlaub nehmen, sehr weit fort reisen, das Handy daheim lassen. "Ich brauche Abstand", sagt er, "könnte mir auch vorstellen, mal ein Jahr zu pausieren." Friedel blinzelt in die Sonne, "vielleicht, um ein Buch zu schreiben."

(dok)
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