Düsseldorf HA Schult macht Müll zur Kunst

Düsseldorf · Der Künstler zeigt an der Neustraße eine Erinnerung an seine gesellschaftskritischen Installationen der 70er und 80er Jahre.

 Der Künstler HA Schult in der Pose, die er sich zum Markenzeichen machte. Neben ihm ein Teil der Installation "Now! HA Schult, 1972, 1983, 2017".

Der Künstler HA Schult in der Pose, die er sich zum Markenzeichen machte. Neben ihm ein Teil der Installation "Now! HA Schult, 1972, 1983, 2017".

Foto: anne orthen

Es raschelt, es knirscht und kracht, wenn der Besucher die Galerie Geuer & Geuer Art nahe der Altstadt betritt. Ein Meer aus zerknüllten Zeitungen und leeren Coladosen ergießt sich in den Vorraum, es ist unmöglich, nicht hineinzutreten. Bis zum Knie reicht die Papierflut, man muss aufpassen, nicht zu stolpern oder auf den versteckten Blechdosen auszurutschen. Inmitten des Ganzen ragt ein Mann aus Müll heraus, hinter ihm hängen zwei Bilder der ebenso mit Zeitungen zugemüllten Washington Street in New York, die Twin Towers im Hintergrund. Die Installation "Now! HA Schult, 1972, 1983, 2017" holt den Betrachter, der sich wie ein ungebetener Eindringling in die Galerie kämpft, dort ab, wo ihn ähnliche konsumkritische und vielbeachtete Arbeiten Schults in den vergangenen Jahrzehnten fragend zurückgelassen haben.

"Konsum und Terror haben etwas miteinander zu tun", sagt der 78-Jährige. Schon 1972 habe er ein Werk geschaffen, das einen amerikanischen Soldaten zeigt, der leere Coca-Cola-Flaschen bewacht. "McDonald's", sagt Schult, "ist immer schon da, bevor die Soldaten kommen." Coca Cola und der Tod durch Konsum, das sei für ihn ein Ausdruck des zynischen Nebeneinanders der Wegwerfgesellschaft und ihrer tiefsitzenden sozialen Problemen. "Ich zeige das, was der Gesellschaft unter den Nägeln brennt", sagt Schult über das Ziel seines 60 Jahre währenden künstlerischen Schaffens.

Irgendetwas muss den Künstler jung halten, der bereits Ende der 50er Jahre an der Kunstakademie bei Karl Otto Götz, Georg Meistermann und Joseph Fassbender lernte. Wenn er von seinen wilden Jahren in der Düsseldorfer Altstadt erzählt, seinen "Studien" in Kneipen, wie er das Thema Umweltverschmutzung in die Kunst einführte, von Beuys, der "auf den Zug aufgesprungen" sei, dann überschlägt sich Schult fast. Der gedrungene Mann mit der blondgefärbten Vokuhila-Frisur ereifert sich, wenn er von den Amerikanern spricht, die erwarten, dass er seine "Trash People" wieder in die Staaten bringt. Tausend der Skulpturen ließ Schult in den vergangenen Jahrzehnten an alle möglichen Orten der Welt verschiffen und aufstellen, ein Zeichen gegen das Wegwerfen. "Sie waren in Kairo, Marseille, Paris, jetzt fragen die Amerikaner natürlich, wann sie nach New York kommen." Ob - und wann - das noch passieren wird, lässt Schult offen.

Der einsame "Trashman", eine starre Figur aus silber besprühten Platinen, PC-Lüftern und Kabelsträngen, die wie Grasbüschel aus Brust und Schulter der Skulptur springen, wacht über die Installation in der Galerie von Yvonne und Dirk Geuer und blickt aus dem Schaufenster in der Rückseite des Gebäudes auf die Neustraße. Aus der Brust der Figur wächst ein Flugzeug, in Verbindung mit den Bildern des World-Trade-Centers im Hintergrund eine provokante Komposition. Der "Crashman" erinnert an die Aktion "Crash", für die Schult 1977 ein einmotoriges Flugzeug über Manhattan kreisen und es in eine Mülldeponie auf Staten Island abstürzen ließ. Die Filmaufnahme des Projekts wurde live über Satellit - damals eine ungeheure Neuheit - auf die Documenta übertragen. An der Absturzstelle zurück blieb ein Schild mit der Aufschrift: "Crash. a monument for USA by HA Schult. June 25, 1977."

Seit vielen Jahren kennt der Galerist Dirk Geuer den im mecklenburg-vorpommerischen Parchim geborenen Aktionskünstler schon. Er sei glücklich, HA Schult für eine Ausstellung gewonnen zu haben: "Es ist herrlich, dass er mit 78 Jahren immer weitermacht", sagt Geuer. Für ihn sei Schult ein Einzelgänger, gleichzeitig aber auch das beste Beispiel eines künstlerischen Machers - ein Wort, das Schult einst selbst geprägt haben soll: "Alle reden nur über Projekte, er setzt sie um." Schult könne nicht stehenbleiben, müsse seine Ideen von Freiheit, Achtsamkeit, Umweltschutz und Frieden weitertragen, auch an Orte, an denen Kunst und Ausstellungen nicht alltäglich seien.

(bur)
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